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Fritz Woike (1890-1962)
wuchs in äußerster Armut und Lebenshärte auf. Er war Gärtner, arbeitete in zahlreichen Städten in den Gärten, arbeitete als Erzieher und später, als er seine große Familie ernähren musste, fand der Arbeitslose 1922 in Eisenbahnwerkstätten seinen Platz – und das bedeutete: genug zu essen zu haben –, den er bis zur Pensionierung behielt. 1913 wandte er sich dem Glauben zu. Wegbereiterin war, als er wegen einer Nierenentzündung ins Krankenhaus musste, die Diakonisse Berta Fuhrmann. Seinen ersten Gedichtband veröffentlichte er 1924. In der christlichen Arbeiterjugend wurde er recht bekannt, in der christlichen Jugend insgesamt wurde er wohl viel gelesen. Zahlreiche Gedichte wurden vertont. So auch eines, das nach 1945 bei Evangelisationen vielfach gesungen wurde: „Warum trägst du deine Lasten, deine Sorgen so allein“. Die Gedichte beschreiben vielfach selbst Erlebtes, auch die Glaubensgedichte.
Mir liegt der Band vor: „Von Wegfahrt und Heimkehr“ von 1927. Woike hat zutiefst christliche Gedichte – und versucht, das finde ich besonders erwähnenswert, christlichen Glauben sehr emotional zu bekennen und den Glauben in den Alltag einzubinden. Natur wird nicht nur emotional als Gleichnis dargestellt, sondern es werden golddurchflutete Worte verwendet. Als Beispiel: „Die goldne Sonne bricht herfür, / Blitzblank stehn Flur und Gassen; / Nun öffne weit die Herzenstür, / Die Freude einzulassen.“ In dieser „Ermunterung“ folgen ein paar Strophen mit Tipps – und das Gedicht schließt: „Schon ruft dein Werk… sprich dein Gebet… / Und dann zum Händeregen / Tritt stark hervor. Wie es auch geht, / Es geht dem Licht entgegen.“ Was ist „Gnade“ Gottes? Das zu erklären ist schwer. Woike geht so vor: „Ob auch die Berge schwanken, / Und Wetterstürme wehn, / dennoch bleibt ohne Wanken / Die Gottesgnade stehn. / Ob Feuerschlünde lohen, / Daß bang die Erde bebt, / Ob Tod und Hölle drohen – / Die Gottesgnade lebt.// Wenn Stab und Weg entschwinden, / Und wir um Hilfe schrein / Im Angstdruck unsrer Sünden, / Dann tritt die Gnade ein. / Die mit durchbohrten Armen / Das Kleid des Heils gewebt, / In ewigem Erbarmen – / Die Gottesgnade lebt. // Und geht das Glück zu Ende, / Und kommen Not und Schmerz; / Und legt die Würgehände / Der Tod aufs bange Herz – / Aus Leid und Todeshügeln / Die Gnade trostvoll hebt / Auf lichten Glaubensflügeln – / Die Gottesgnade lebt. // O Gnade, wundersüße, / Die Sonne, himmelschön, / Laß unsre Wanderfüße / In deinem Glanze gehen. / Bis deine Himmelsklarheit / Uns sternengroß umschwebt; / Und unser Herz in Wahrheit / In Gottesgnade lebt.“ Dieses Gedicht habe ich vollständig zitiert, um zu zeigen: Woike definiert nicht. Er lässt spüren, was Gnade ist. Er lässt sie im Kontext von schlimmen Erfahrungen und Glück verbal groß werden.
Diese Emotionalität setzt er auch ein, um Christen dazu zu ermutigen, zu kämpfen. Es geht um den Glaubenskampf, auch wenn sehr gegenständlich gesprochen wird. In „Auf zum Kampf“ heißt es: „Sturmgewölk jagt durch die Zeiten, / Satan streut die Drachensaat; / Brüder laßt zu lichter Tat / Mutig uns ins Dunkel schreiten.“ Es folgen Worte: „Da, wo Gott uns hingestellt, / Vorwärts in das Kampfgedränge. // Nicht gezaudert, angegriffen, / Wo der Feind zu treffen ist. / Unser König Jesus Christ / hat uns selbst das Schwert geschliffen… Fahnen hoch!“ usw. Das sind solche Texte wie sie in der damaligen Zeit sozialistischer und nationalsozialistischer Provenienz üblich waren – erinnert sei nur an „Die Internationale“.
Aber solche Texte in andere geschichtliche Kontexte gestellt, bekommen im Nachhinein einen üblen Nachgeschmack. So hat er alte Gedichte 1933 ausgewählt und in „Die Heimat spricht“ veröffentlicht. In diesem finden wir auch „Schwur deutscher Jugend“ „Wir recken die Hände empor zum Schwur / Weit über Deutschlands blühende Flur, / Wir rufen bebend mit ehernem Mund / Hinein in das flammende Erdenrund: / Deutschland muß leben!/…/ Nimm, Land der Väter , uns selber hin, / Wir geben dir Leben und Herz und Sinn; / Wir sind zu jedem Opfer bereit / Und beten stammelnd zum Herrn der Zeit: / Deutschland muß leben!“ Dass die Menschen „Zum heil´gen Krieg bereit“ sind, erfährt man im Gedicht „Um höchsten Preis“. Es sind, wie es sichtbar wird, nationalistische Lieder, nicht national-sozialistische Lieder. Die Texte, die mir vorliegen, haben keinen menschlichen Führer im Blick, soweit ich sehe sprechen sie auch keinem Rassismus das Wort. Es wird aber aus christlicher Sicht deutlich, dass Grenzen überschritten werden – dieses Mal ins Negative. Aus christlicher Perspektive kann man sein Leben nur Gott übergeben, nicht aber einem Land, einem Volk, einer Partei, einem menschlichen Führer. Die Verquickung des christlichen Glaubens mit dem säkular-ideologischen Glauben ist gefährlich. Woike weiß es: „Männer“ beugen „die Knie vor Gott, doch nie das Herz / Und den Nacken vor Menschen“. Über Woikes Haltung zum Nationalsozialismus habe ich derzeit keine Informationen vorliegen. Texte in andere geschichtliche Kontexte hineingestellt verändern ihren Sinn. Freilich auch: Texte aus anderen geschichtlichen Kontexten interpretiert, werden ihnen nicht unbedingt gerecht. Was wir heute über die Zeit ab 1930 wissen, konnte man damals nicht wissen, manche Hellsichtige und Sensible ahnten es. Aber Prophetie ist kein allgemein menschlicher Maßstab, auch wenn manche heute so tun, als wäre er es. Auch wenn zum Beispiel Paul Schneider, nachdem er „Mein Kampf“ gelesen hatte, merkte, wohin die politische Irrfahrt gehen kann und sich mit aller Kraft, die ihm das Leben kostete, entgegenstellt, heißt das noch lange nicht, dass Geschichte zwangsläufig so abläuft. Letztlich konnte sie so ablaufen, weil sich zu wenig der Grausamkeit entgegengestellt haben, nach dem Motto: Mir geht es gut – was andere trifft, erschreckt mich, aber interessiert mich nicht so sehr. Das ist auch von anderen Dichtern zu sagen, denen die unter dem Kapitalismus leidenden Arbeiter egal waren. Darum:
Besonders hervorgehoben sei auch, dass Woike sich aus seinem christlichen Glauben heraus gegen die Unmenschlichkeit wendet, in denen Arbeiter leben, er benennt die Armut und den Verfall der Menschen in seinen Gedichten, wie auch das schwere Los der Frauen: „Wenn eure Männer und Kinder ruhn / Sitzt ihr noch lange / Mit brennenden Augen / Und zitternden Händen / An der Nähmaschine. / Und auf die Windeln des Erwarteten / Fallen die salzigen Perlen / Eurer Tränen.“ Und er gibt den Arbeitslosen eine Stimme: „Wir aber strecken scheu wie Bettler / Die arbeitsheißen Hände / Stumm und vergeblich / Nur ins Leere, / Denn uns bedarf man nicht // O diese Not / Vergessen sein vom Leben, / Zu keiner Pflicht berufen, / Und wie totes Spielzeug nur / Die Tage nutzlos aneinanderreihn.“ Das geht hin bis zu dem Ruf „Wir wollen wieder Menschen sein“. In „An die Maschine“ wird zunächst die Maschine angeklagt: „Unsre wimmernde Seele / reißt du teuflisch in Stücke / Und preßt sie höhnend / In deine klirrende Macht, / … / Deinen blutenden Sklaven / Reißt du das Brot / Aus den Händen, / Verödest die Säle der Arbeit / Mit deinen Polypenarmen…. / Fluch!!! / Sei dir / Kraft, die sich selber regiert!!!“ Und er gibt dem dann eine christliche Wendung: „Nein! / Nicht Fluch / Sollst du sein, / Nicht Kraft / Aus dir selber, / Dämon / Den wir riefen. / Auch über dir / Steht der Herr, / Der die Sterne weidet / Wie Lämmer. / Auch du mußt / Uns dienen, / Die wir berufen sind / Zur Herrschaft über die Erde / Lebendiger Odem / Aus Gott…“. Er holte Gott aus den Kirchen in die Arbeitswelt hinein. Darum definiert er auch nicht, wie oben angesprochen, Gnade, sondern beschreibt sie mit einfachen Worten für den emotionalen Alltag.
Auch in diese dunklen Orte hinein spricht das Gedicht „Fackelträger“: „Herr, du gabst in unsre Hände / Einst das Licht der Ewigkeiten; / Hilf, daß wir die Fackelbrände / Werfen in die Dunkelheiten.“ Als „Sonnenstreiter“ fürchtet man nicht das Dunkel, sondern „jagt“ in das Dunkel, reitet mutig durch die Nächte „Bis, von deinem Glanz umflossen, / Wir durchs Tor des Lichtes schreiten.“
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