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Nikolaus Lenau (1802-1850)
studierte unter anderem Medizin. Melancholie bestimmte sein Leben nach dem Tod der Mutter. Durch Erbschaft war er finanziell unabhängig, machte sich einen Namen als Schriftsteller, reiste in die USA. Als er wieder nach Europa kam, war er inzwischen bekannter geworden. Mit ca. 42 Jahren bekam er einen Schlaganfall und verfiel geistig.
Lenau beschreibt in seinem Text „Die Waldkapelle “, wie er eine Kapelle besucht, sich seine Gedanken macht und plötzlich ein Irrer erscheint: „»Herr Gott! wir loben dich – ha, ha, ha, ha!« / Nun schweigt er still, der grause Gottverächter, / Und donnernd ruft er nun: »Allelujah!« / Und überdonnernd folgt sein Hohngelächter. // Da stürzt er mir vorbei, voll scheuer Hast, / Das wirre Haar von bleicher Wange streifend, / Die Augen wild bewegt und ohne Rast, / Irrlichter, in der Nacht des Wahnsinns schweifend.“ Ein paar Strophen weiter fragt er: „Was hat, o Schicksal, dieser Mensch getan, / Daß mit des Wahnsinns bangen Finsternissen / Du ihm verschüttet hast die Lebensbahn, / Aus seiner Seele seinen Gott gerissen?“ Und, was hat aus seiner Seele Gott gerissen? Die Geliebte, sie hat ewige Treue geschworen, ist aber dann doch bei einem anderen gelandet.
In dem Gedicht „Das Kreuz“ sieht er ein Kreuz ohne Körper des gekreuzigten Christus und fragt sich: „Soll ich dafür den Gram, in tausend Zügen / Rings ausgebreitet, in ein Bildnis kleiden? / Soll die Natur ich und ihr Todesleiden / Dort an des Kreuzes leere Stätte fügen?“ Diese Kälte und Einsamkeit, die das Gedicht ausstrahlt, gibt auch das Gedicht Einsamkeit wieder, von der die letzte Strophe heißt: „Lieblos und ohne Gott! der Weg ist schaurig, / Der Zugwind in den Gassen kalt; und du? – / Die ganze Welt ist zum Verzweifeln traurig.“ Das Kreuz ist aber auch in einem anderen Sinn für Lenau bedeutsam. Im Gedicht Kruzifix heißt es: „Hält der Mensch die Blicke himmelwärts / Und die Arme liebend ausgebreitet, / Um die Welt zu drücken an sein Herz, / Hat er sich zur Kreuzigung bereitet. // Solche Lieb ist selten auf der Erde; / Daß ihr Bild die Welt nicht ganz verläßt, / Hielt am Kreuz die Menschheit eilig fest, / Jesus, deine liebende Gebärde!“
Er weiß sein unruhiges Herz zu beruhigen: Wie Christus in Stürmen das Boot schützte, so kann das Herz ruhig sein, denn „So ruht in dir der Herr der Welten.„
Ferdinand Freiligrath (1810-1876)
Er war revolutionär gestimmt, lebte vielfach auf der „Flucht“ – das gab sich dann und er wurde national-patriotisch.
Er bedauert in „Die Bilderbibel“: „O Zeit, du bist vergangen! / Ein Mährchen scheinst du mir! / Der Bilderbibel Prangen, / Das gläub’ge Aug‘ dafür, / Die theuren Eltern beide, / Der stillzufriedne Sinn, / Der Kindheit Lust und Freude – / Alles dahin, dahin!“ Aber ein Funken Glauben scheint noch vorhanden zu sein. So formuliert er in: „Am Baum der Menschheit drängt sich Blüt´ an Blüte“. Menschen kommen und gehen: „Ein ewig Kommen und ein ewig Gehen, / Und nun und nimmer träger Stillestand! / Wir sehn sie auf, wir sehn sie nieder wehen – / Und ihre Lose ruhn in Gottes Hand!“
Emanuel Geibel (1815-1884)
War ein zu seiner Zeit sehr bekannter Dichter. Seine späten Gedichte lassen erkennen, wie sehr er Naturgefühl mit christlicher Religion vermischte. So heißt es im „Sonntagsmorgen im Walde“: „Von fernen Türmen kommt Geläut geflossen / Und mischt sich in der Schöpfung Opferrauch, / Und im gelinden Säuseln ausgegossen / Empfind‘ und atm‘ ich reinsten Lebenshauch; / Ich fühl’s, ich hab‘ ein Heiligtum betreten, / Und all mein Wesen wird ein wortlos Beten. / Da spielt vom Geist, der einst in Feuerzungen / Herabfuhr, auch um meine Stirn ein Wehn; / Voll Ehrfurcht lern‘ ich, was mir fremd geklungen, / Als zeitlich Kleid des Ewigen verstehn! / Gedank‘ und Andacht sind in eins verschlungen / Wie Farben, die im reinen Licht vergehn, / Und meiner Brust ist jener Gottesfrieden, / Der kein Bekenntnis hat noch braucht, beschieden.“ Ähnlich in seinem Gedicht „Morgenwanderung“. Dort heißt es in der zweiten Strophe:
„Die ganze Welt ist wie ein Buch,
Darin uns aufgeschrieben
In bunten Zeilen manch ein Spruch,
Wie Gott uns treu geblieben;
Wald und Blumen nah und fern
Und der helle Morgenstern
Sind Zeugen von seinem Lieben.„
Geibel findet in gewisser Weise Gott in seiner Naturstimmung. So heißt es auch in „Stille der Nacht„, die er auf einer Wanderung erlebt: „Der letzte leise Schmerz und Spott, / Verschwindet aus des Herzens Grund; / Es ist, als tät der alte Gott / Mir endlich seinen Namen kund.“ Er mischt sich – wie Ansätze zeigen – seine eigene Religion. Ob ihm bewusst war, was er mit diesem folgenden Gedicht anspricht? Im Alten Testament stellt Gott sich Mose so vor: Ich bin, der ich bin. Und der Autor formuliert: „ Ich bin, der ich bin, / Und lernt‘ ich von vielen: / Nach eigensten Zielen / Stand immer mein Sinn.“
Traditionell klingt es in dem Gedicht Hoffnung: Er beschreibt die Grauen des Winters. Zuletzt heißt es: „Und wenn dir oft auch bangt und graut, / Als sei die Höll auf Erden, / Nur unverzagt auf Gott vertraut! / Es muss doch Frühling werden.“ Traditionell – oder im Sinne des zuvor Genannten?
Theodor Storm (1817-1888)
Storm war Jurist und Schriftsteller. Novellen haben ihn bis heute berühmt gemacht. In seiner Zeit kümmert man sich um Angelegenheiten des Bildungsbürgers.
Er hat, soweit ich sehe, hier und da einmal etwas anheimelndes über den Kinderglauben geschrieben (z.B. Weihnachtslied von 1845), wendet sich mit Grausen ab vom Kreuz (Crucifixus). In Herrgottskinder beschreibt er, dass Gott alle Tiere liebt – Menschen aber arbeiten müssen, weil sie mündig sind. Interessant im Zusammenhang meines Themas ist der Text: Schließe mir die Augen beide. „Schließe mir die Augen beide / Mit den lieben Händen zu! / Geht doch alles, was ich leide, / Unter deiner Hand zur Ruh. // Und wie leise sich der Schmerz / Well‘ um Welle schlafen leget, / Wie der letzte Schlag sich reget, / Füllest du mein ganzes Herz.“ Es ist vermutlich ein Liebesgedicht, entstanden im Jahr der Hochzeit. Gleichzeitig sprengt es das, was es auf Liebe begrenzt: Beide Augen schließt man von Menschen, wenn sie gestorben sind. Auch die Formulierungen in der zweiten Strophe weisen darauf hin. Vielleicht haben wir hier schon das, was auch in der Gegenwart zu finden ist: Es werden Lieder gedichtet, die Glaubende auf Gott beziehen können und Nichtglaubende auf Menschen. Ob das auch zu der Zeit von Storm schon üblich war, kann ich nicht sagen. Allein vom Text her betrachtet liegt es nahe, ihn auch auf das Sterben und auf Gott zu beziehen.
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