Katholische Kirche und Abtreibung

Aufgrund einer Anfrage eine knappe Darlegung zum Thema (s. http://blog.wolfgangfenske.de/2016/10/20/priesterinnen-und-zlibat/ )

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt ist: Ab wann ist der Mensch ein Mensch. Im Grunde freuen sich Eltern über das neue Menschenkind, wenn sie erfahren, dass die Frau schwanger ist. Der Mensch ist Mensch mit Beginn der Verschmelzung von Samenzelle und Eizelle. Und das ist die christliche Sicht – nicht nur die der katholischen Kirche. Das bedeutet aber auch, dass Abtreibung die Tötung eines Menschen ist.

Doch für manche birgt das Schwierigkeiten. Nicht alle freuen sich, wenn ein Menschlein im Leib der Mutter am Wachsen ist. Die Gründe sind vielfältig, ich muss sie nicht aufzählen. Und weil sich manche eben nicht freuen, versuchen sie das Kind in ihnen loszuwerden. Als Abtreibung noch verboten war, starben manche Mütter, weil sie irgendwelchen Scharlatanen zum Opfer gefallen sind oder trugen schwere gesundheitliche Schäden davon.

Die Gesellschaft versucht nun, diese Realität (manche möchten das Kind loswerden) mit dem Grundsatz (der Mensch ist von Anfang an Mensch) zu verbinden.

Die Lösung in unserem Land ist ein größtmöglicher Kompromiss: Der Mensch ist von Anfang an Mensch, eine Abtreibung darf aber bis zur 12.-14. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, wenn Gefahr für die Mutter besteht und wenn sie Folge einer Vergewaltigung ist. Dieser Grundsatz wird ausgeweitet mit Blick auf den Konflikt, in dem eine Mutter durch die Schwangerschaft geraten kann, darum kann sie in einer Schwangerschaftskonfliktberatung einen Beratungsschein bekommen, der ihr die Abtreibung auch dann ermöglicht, wenn die beiden genannten Sachverhalte nicht vorliegen.

Und hier setzen viele in der katholischen und evangelischen Kirche an. Abtreibung wird zu leicht genommen und zu leicht gemacht. Man muss bedenken, dass es um das Leben eines Menschen geht, wenn abgetrieben wird. Und aus christlicher Sicht ist das nur berechtigt, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist, weil dann Leben gegen Leben steht und das Leben der Mutter höher bewertet wird. Zudem bergen auch die durchgeführten Abtreibungen Gefahren, so die psychischen Gefahren für die Mutter nach den Abtreibungen, die unterschätzt werden.

Dieser Grundfrage, wann ist der Mensch ein Mensch, wie lange darf abgetrieben werden, wird in den Ländern unterschiedlich beantwortet, so ist zum Beispiel Clinton noch für die Spätabtreibung, die in unserem Land nur dann möglich ist, wenn das Kind behindert ist – was auch von Christen abgelehnt wird, da ein behinderter Mensch auch ein Mensch ist und gleiche Würde hat wie ein nicht behinderter Mensch.

Heute versuchen viele Gruppen diese Aussage, wann ist ein Mensch ein Mensch, immer stärker gegen das Ungeborene bzw. Neugeborene auszuweiten. So mancher tritt dafür ein, dass das Kind erst nach der Geburt ein Mensch ist, manche sehen das Menschsein erst dann gegeben, wenn das Kleinkind seiner Selbst bewusst wird. Das würde bedeuten, dass ein Kind auch nach der Geburt getötet werden kann (Singer).

All diesen Versuchen stellt die christliche Kirche im Wesentlichen ein Stopp entgegen: Mensch ist der Mensch von Anfang an – und Abtreibung sollte nur dann ermöglicht werden, wenn Leben gegen Leben steht bzw. es für die Mutter aufgrund einer an ihr begangenen Straftat psychisch schwer wird, das Kind in sich wachsen zu lassen. Wobei zu sagen ist, dass die evangelische Kirche sich vielfach auch an die jeweilige Zeitströmung anpasst. Die evangelische Kirche kann das auch leichter, weil sie im Grunde nur in Mitteleuropa und Nordamerika dominant ist. Die Katholische Kirche trägt Verantwortung für die Menschen weltweit – und in anderen Kulturen ist Abtreibung ebenso wenig erlaubt wie ursprünglich im christlichen Bereich. Was vermehrt von den Kirchen in der Seelsorge berücksicht werden muss, sind die Mütter, die abgetrieben haben und damit seelische Probleme bekommen. Dabei steht nicht die Schuld im Mittelpunkt, sondern die Frage der Vergebung und der Integration des selbst zu verantwortenden Verlustes in das Leben.

Dass mit der Abtreibung gesellschaftspolitische Konsequenzen verbunden sind, dämmert so langsam auch manchen Menschen: es gibt in unserem Land zu viele alte Menschen – und das hängt auch damit zusammen, dass im Jahr ca. 100.000 Kinder abgetrieben werden (die Zahl sinkt von 2001: 134.964 – 2015: 99.200). Zudem wird in manchen Ländern Asiens die Zahl der Mädchen durch Abtreibungen massiv verringert, sodass es einen für die Länder gefährlichen Männerüberschuss gibt.

Das Problem, vor dem die katholische Kirche – zumindest in ihrer Führung – steht ist, dass sie auch die Verhütung ablehnt. Und da kann die evangelische Kirche nicht mitgehen. Während die katholische Kirche verantwortete Sexualität darin sieht, dass man eben dann, wenn die Möglichkeit ein Kind zu zeugen, eben nicht miteinander Geschlechtsverkehr hat, sieht die evangelische Kirche verantwortlich gelebte Sexualität darin, auch Verhütungsmittel zu verwenden. Und das bedeutet, dass ungewollte Schwangerschaften reduziert werden – und damit auch die Abtreibungen.

Aber auch hier: Die katholische Kirche muss Menschen weltweit im Blick haben, auch, was die Ethik betrifft, da in Afrika die Verhütung sehr skeptisch gesehen wird, a) weil es teuer ist, b) aber auch darum, weil das als Versuch der ehemals kolonialen Mächte angesehen wird, Afrika zu schaden. Die katholische Kirche muss eine starke kulturelle Kompetenz entwickeln, eben weil ihr Menschen aus so vielen verschiedenen Kulturen angehören. Der normale Durchschnitts-Europäer ist zwar tolerant, hat aber keine Ahnung von anderen Kulturen, hat also keine kulturelle Kompetenz entwickelt. Die Kirchen müssen intensiv dazu beitragen, dass auch in Afrika Sexualethik überhaupt greifen kann, denn die Vergewaltigungsraten sind immens hoch. Das Thema ist also für die Kirchen – vor allem für die Katholische Kirche komplexer als es sich der normale Mensch so denkt. Zudem sei noch angesprochen: Weltweit steigt auch die Zahl charismatischer Christen. Sie hat die der traditionellen Protestanten (Lutheraner, Reformierte…) weit übertroffen. Und in diesen herrscht ebenfalls überwiegend eine eher strenge Sexualethik. Und das ist für die Völker, in denen diese Christen wirken von Vorteil.

Noch eine Anmerkung: Christinnen in Pakistan bekommen weniger Kinder, sind vielfach auch nicht in der Lage dazu. Man nimmt an, dass es der soziale Druck ist, der dazu beiträgt, Entführungen, Vergewaltigungen von Christinnen sind sehr häufig. Weil sie aber weniger Kinder bekommen als muslimische Frauen, wird der Vorwurf laut, Allah sei zornig über sie, weil sie Christinnen sind und der Druck nimmt zu. Das heißt für das Thema: Kinder sind in diesen armen Ländern eine Sache des Prestiges. Und da ist es äußerst schwierig, das Thema Verhütung durchzusetzen. Das müssen Kirchen auch berücksichtigen.

Impressum http://www.wolfgangfenske.de/

KategorienAllgemein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert