Erdogan führt Merkel die ganze Zeit vor. Er macht im Grunde mit ihr, was er will. Und sie macht mit: Bettina Röhl zu Merkels Türkeipolitik bzw. die Politik die die Türkei mit Merkel macht: http://www.tichyseinblick.de/kolumnen/bettina-roehl-direkt/merkel-tuerkischer-bluff/ Ihre Distanzierung vom Bundestagsbeschluss, die keine sein soll ist, und auch das weitere Augen-Verschließen angesichts des brutalen Vorgehens gegen vermeintliche Erdogan-Gegner ist, wie Bettina Röhl sagt, menschenverachtend. Eben: Merkel ist nicht Deutschland. Aber indem Erdogan so mit Merkel umspringt, zeigt er, was er von unserem Land hält: Es ist Wackelpudding in seinen Händen.
Deutschland wird diese Politik überleben. Wenn sie denn nach Merkel so nicht mehr weiter geführt wird. Aber noch ist keine Nach-Merkel-Zeit angebrochen. Und all diese Aussagen: Merkel muss weg oder Merkel geht jetzt, Merkels politisches Ende usw. usw. usw. sind verfrühte Abgesänge. Sie wird bleiben – und hoffentlich immer wieder wie in der Flüchtlingsfrage, ihre falsche Politik korrigieren. Auch wenn sie es nicht zugibt. Hauptsache, sie tut es. Aus der CSU hörte man, niemand ist unersetzlich. Aber gibt es wirklich einen Menschen in der CDU, der Merkel ersetzen könnte? Ich sehe keinen. Jeder, den ich mir so anschaue, ist nicht selbständig genug, dass er eine eigenständige unmerkelsche Politik fortführen könnte. Ich setze noch immer darauf, dass Merkel ihre falsche Politik auch weiterhin korrigieren wird. Und wenn sie wieder einen Fehler macht, wie jetzt jüngst diese unselige Armenienbeschluss-Distanzierung, auch den wird sie hoffentlich schnell korrigieren. Aber wird sie das auch tun, wenn ihre Hofmedien – fast durchgängig – dieses unsägliche Taktieren möglichst schnell auch noch unter den Teppich kehren?
Manchmal denke ich auch, Merkel ist wie eine Löwin, die die Kids auf sich herumkrabbeln lässt, erlaubt es auch, dass sie ihnen am Ohr knabbert. Man ist stark und lässt eben solches zu. Nur dann, wenn sie es doch zu wild treiben, mal knurren und die kleinen Runterwerfen. Merkel die Löwin, Erdogan das wilde Kind.
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Die Türkei kann sich alles erlauben – und darum tut sie es auch: Erpressen (dürft nicht mehr die Luftwaffenbasis besuchen; wir lassen die Menschenmassen los, wenn ihr nicht Visa erlaubt…), Menschenrechte auf breitester Linie mit Füßen treten (gegen Kurden, gegen Andersdenkende) – und nun haben sie wieder eine tolle Möglichkeit, ihre kleine Macht unter Beweis zu stellen: Indem sie einfach gegen deutsche Journalisten vorgeht: http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-beschlagnahmt-videomaterial-der-deutschen-welle-a-1111201.html Sie spielen ihre Dominanz genüsslich aus, sie besetzen alle Räume, die Merkel ihnen lässt – bis hin zu der Unterordnung Merkels unter die türkische Fahne. Wie schon häufig gesagt: Putin ist richtig mit Erdogan umgegangen. Alles andere bläst ihn auf. Irgendwann platzt alles, was über die Maßen aufgepustet ist – das bleibt die Hoffnung. Ach so – ist das die Rache dafür, dass Jäger die Ditib deklassierte?
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Sicher ist es schwer, in wenigen Zeilen wesentliche Gedanken unterzubringen. Aber der Artikel von Rüttgers hat mich doch enttäuscht. Er will den Parteien von Le Pen, Wilders, Kacynski, Orban, Petry, Trump, Erdogan etwas entgegensetzen: „Mehr Freiheit und Wohlstand für alle. Der Weg dahin geht über mehr Demokratie in Deutschland und Europa. Dafür lohnt es sich zu kämpfen und zwar bevor es zu spät ist.“ http://www.focus.de/politik/experten/ruettgers/nach-afd-erfolg-in-mecklenburg-vorpommern-ideen-von-frauke-petry-sind-ohne-zukunft_id_5898658.html
Das kann man nur schreiben, wenn man so gut wie gar nichts von der gesamten Diskussion mitbekommen hat. Denn das ist gerade die Frage: Wird durch das Gebaren der etablierten Parteien Freiheit und Wohlstand aufs Spiel gesetzt? Wird Europa Gruppen ausgeliefert, die Meinungsfreiheit verbieten wollen? Wie wehrt man sich mit demokratischen Mitteln dagegen? Werden Probleme, die massiv existieren, kleingeredet, überhaupt wahrgenommen – und ganz schnell versteckt? Es geht nicht mehr so sehr um parteipolitische Fragen, sondern um Fragen: Was für eine Gesellschaft wollen wir? Wie konnte die verantwortliche Politik über Jahre zulassen, dass Missstände so massiv einreißen, dass es schwer wird, sie überhaupt zu bekämpfen? Ist diese durch die Genannten aufgeworfenen Diskussionen nicht eminent demokratisch?
Und an dieser Stelle gibt es sehr viele differenzierte Versuche, die Gesellschaft zu durchleuchten, zu verstehen, Wege zu weisen. Dann setzt man sich hoffnungsvoll an einen Text von Jürgen Rüttgers – und muss eben das lesen. Er ist nicht weiterführend. Er ist nicht einmal auf der Höhe der Diskussion. Schade.
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