
(Im folgenden Abschnitt wird das Kapitel 10 des Buches von Mangalwadi [Das Buch der Mitte] vorgestellt. Es geht um die Bedeutung von Sprachen – vor allem in Indien. Die Komplexität des Textes kann hier nicht wiedergegeben werden, weil das für einen kurzen Blogbeitrag ein wenig kompliziert ist.)
In Indien haben Christen aus der Vielzahl an Sprachen und Dialekten zur Übersetzung der Bibel das Urdu und das Hindi entwickelt und eine Vorform, Hindustani, gefördert. Diese wurden dann zur Sprache Pakistans bzw. Indiens. Sanskrit hätte es werden können – aber die Hindus, die es konnten, haben diese Sprache selbst vor ihren Frauen geheim gehalten. Ebenso galten Nachbarn in dieser Hinsicht als “Unberührbare” – das heißt, man durfte das Geheimwissen nicht weitergeben.
Der Kaiser Ashoka (304-232), der größte buddhistische Herrscher, nutzte Pali und die Brahmi-Schrift – doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte keiner mehr seine Weisheiten lesen und Ashoka selbst wurde vergessen, weil man einfach an Geschichte nicht interessiert ist. Ashoka wollte Indien vereinheitlichen – aber die Brahmanen kämpften dagegen und gegen Ashokas religiöse Philosophie und sozialen Ziele an. Erst ein englisch-indischer Gelehrter entzifferte wieder diese Texte.
Buddha lehrte Schweigen, Auflösung, Nichtsein, Leere. Dass der Mensch Gottes Ebenbild ist, ist nicht seine Sicht, auch Sprache, Logik, Wörter hätten mit Wahrheit nichts zu tun. Von daher hatten auch seine Mönche überhaupt kein Interesse an Sprache, sondern nur an Meditationstechniken.
Im 16. Jahrhundert war Persisch Amtssprache – also eine Sprache, die nur Auserwählte verstanden. Die Elite verwendete Sprache nicht, um mit Menschen zusammenzukommen, sondern Sprache diente als Mauer, um sich vom Volk abgrenzen zu können. Auch die Britische Ostindien-Kompanie hatte kein Interesse daran, den normalen Indern das Englisch beizubringen. Das haben dann ebenfalls Missionare gemacht (239).
Missionare nutzten also Sprache nicht mehr, um sich von anderen abzugrenzen, sondern als Kommunikationsmittel, das alle einbeziehen sollte. Es wurde der Vorwurf erhoben, die Missionare wollten mit Englisch bzw. Hindi nur Indien ausnutzen. Und der Widerstand gegen die Durchsetzung war von allen Seiten groß. Mahatma Gandhi und Rabindranath Tagore haben aber darauf gedrängt, dass Hindi die Sprache Indiens werden solle.
Durch die Arbeit der Missionare konnte endlich auch der normale Inder vor Gericht ziehen und verstehen, was verhandelt wurde. Missionare übersetzten die Bibel in Hindi – gründeten ein College – aus dem die Universität Serampore entstanden ist. Die Vorlesungen wurden auf Bengali gehalten – nicht auf Englisch.
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Sprache und Bibel fördern Nationalstaaten – aber nicht negativen Nationalismus in der säkularisierten Form. Und so war es für die Völker sehr wichtig, dass die Bibel in ihre jeweilige Sprache übersetzt wurde. Es folgt ein langer Abschnitt der Liebe der Propheten zu ihrem jüdischen Volk. Nachdem das Land in Besitz genommen war, stellte ihre Volkszentrierung keine Bedrohung für andere mehr dar. Die Propheten haben eine Balance gehalten zwischen Nationalität und Internationalität, weil Gott auch Gott aller Völker ist. Volk und Herrscher standen unter dem Gesetz Gottes – auch wenn sich die Letztgenannten immer wieder dagegen aufgelehnt haben und es zu Blutvergießen kam. Der Monotheismus führte zur Vereinheitlichung. In Indien hätte der Hinduismus nie zu einer Vereinheitlichung beitragen können, weil jedes Volk, jeder Stamm, jede Kaste ihre eigenen Götter und religiöse Pflichten hat. Anders Christen: Sie lieben ihr Land – und wenn Gott sie beauftragt hat, gehen sie auch in andere Länder, zu anderen Stämmen, um ihnen die Liebe Gottes zu vermitteln. Auch hier herrscht eine Balance von Nationalität und Internationalität.
Madhusudan Dutt wurde Christ, lernte 10 europäische und indische Sprachen fließend sprechen und europäische Philosophen in Originalsprache zu lesen – und begann in seiner Landessprache Gedichte und andere Texte zu schreiben, in denen europäische und indische Kulturen miteinander verband. Damit hat er auf Grundlage der Bibel indisches Nationalbewusstsein gefördert und viele wichtige Reformer und Intellektuelle Indiens beeinflusst. Dadurch hat er dazu beigetragen, nach Jahrhunderte langer Fremdherrschaft, Indien zu einen und letztendlich zu befreien.
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