Peter Singer (Praktische Ethik) beruft sich auf „den protestantischen Theologen“ Joseph Fletcher als Zeuge für „Indikatoren des Menschseins“: Selbstbewusstsein, Selbstkontrolle, Sinn für Zukunft, Sinn für Vergangenheit, die Fähigkeit, mit anderen Beziehungen zu knüpfen, sich um andere zu kümmern, Kommunikation und Neugier.“ Er benötigt den protestantischen Theologen als für seine Rhetorik wichtigen Gewährsmann (also: sogar Christen denken so!) dafür, dass man abtreiben darf bzw. auch behindert geborene Kinder töten darf. Denn auf Ungeborene bzw. Behinderte treffen nicht alle der oben genannten Beschreibungen zu.
Es gibt auch Christen, von denen man sieht, dass sie eigentlich andere Werte zugrundelegen als christliche. Von daher sagt es nicht viel aus, ob einer protestantischer oder sonst ein Theologe ist. Man muss also tiefer schauen: Wer war dieser Joseph Fletcher? Er wurde 1901 geboren und ist 1991 gestorben. Er wurde zum Pfarrer ordiniert, bezeichnete sich später aber als Atheist und vertrat: Abtreibung, Kindstötung, Euthanasie, Eugenik und Klonen. Er war also sozialdarwinistisch geprägt, wie so mancher Mensch dieser Zeit, wie eben auch die Planned-Parenthood-Leute (US-Abtreibungsspezialisten) und Nationalsozialisten.
Spannend ist nun, dass dieser Fletcher die Liebe sehr betonte, die Nächstenliebe – aber nicht auf der biblischen Basis, sondern als Situationsethik. Das heißt, man entscheidet ad hoc auf Basis der Liebe zum Nächsten, wie man handelt. Und da befiehlt eben spontan die Liebe: Kinder zu töten, wenn Eltern damit überfordert sind, wenn Menschen Gen-Defekte haben, wenn sie unheilbar krank sind. Aber Liebe wie sie es das Neue Testament und vor allem auch Jesus lehrt, hat vor dieser erschreckenden Art Liebe eine Sicherung vorgeschaltet: die Würde des Menschen, jeder Mensch ist Kind Gottes, jeder hat ein Recht auf Leben, auf Angenommensein. Liebe ohne diese Sicherung – das zeigt Fletcher – ist grausam, brutal, unmenschlich.
Fletcher war Mitglied der Humanist Association – und wurde von ihr, wohl weil sie stolz darauf ist, einen dermaßen engagierten Gelehrten in ihren Reihen zu haben, auch 1974 als Humanist des Jahres bezeichnet. Er war Präsident der Euthanasia Society of America, Mitglied der American Eugenics Society und für die freiwillige Sterilisation. https://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Fletcher
Singer weiß das alles sicher. Aber warum bezeichnet er ihn als protestantischen Theologen? Um unter den Christen Leichtgläubige ködern zu können.
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Ist ein ungeborenes Kind eine Person? In dem folgenden Beitrag steht, dass in Hollywood-Filmen Abtreibungsbefürworter auch in Filmen häufig die Regie führen – zumindest was die Sprachregelung betrifft: Ungeborene werden nicht als Menschen bezeichnet. Aber in The Big Bang Theory soll ein ungeborenes Wesen als Mensch angesehen werden: http://kath.net/news/54829
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