Intelligente Feindesliebe, Verantwortungspazifismus, Wehrhafte Feindesliebe

P1030340

Am 3. Dezember hatte ich einen Beitrag zum Thema Feindesliebe.

Ich denke, wir Christen sollten zum Thema Feindesliebe unseren Mitbürgern mehr sagen als: Liebet euren Feind – das heißt, sich nicht zu wehren. Als Christ, der angegriffen wird, kann man selbst überlegen: Will ich mich wehren oder nicht. Aber haben wir das Recht dazu, anderen Vorschriften zu machen: Ihr dürft Euch nicht wehren? Haben wir das Recht, unsere Mitbürger zu Mäuschen zu erziehen, die den Katzen ausgeliefert sind? Vor einem Monat (3.12.) habe ich geschrieben:

Jesus hat kräftigen Männern, die sich wehren konnten, gelehrt, eine neue Gesinnung anzunehmen. Er selbst war als Zimmermann sicher auch nicht gerade ein schwacher Mann. Aber wenn wir in seinem Namen Menschen zur Schwäche erziehen, dann kann keine neue Gesinnung aufkommen, sondern nur der Hass eines, der aufgrund falscher Lehre zum Opfer geworden ist.”

Am 19. August letzten Jahres schrieb ich:

Vielfach ist “die christliche Verkündigung von Feindesliebe oberflächlich und naiv. Das darum, weil man eben keine Feinde kennt, die einem wirklich das Leben schwer machen. Wenn Feindesliebe rein romantisierend gelöst wird von der intelligenten Feindesliebe eines Jesus, Gandhi, Martin Luther King, dann ist sie ein naives Etwas. Wenn sie aber geboren wird in einer Zeit und angesichts großer Brutalitäten und Ausgrenzungen, dann erst wird Feindesliebe zu dem, was sie ist: dem großen Beispiel. Aber ebenintelligente Feindesliebe (C.F.v. Weizsäcker). Intelligente Feindesliebe meditiert sich nicht quietistisch durchs Leben, sondern versucht unter großen Anfechtungen und unter Einsatz des eigenen Lebens einen Weg zu finden, dem Feind entgegenzutreten – und zwar wirksam entgegenzutreten. Seid klug wie die Schlangen – ohne Falsch wie Tauben, so der große Lehrer und Initiator der Feindesliebe, Jesus Christus. Klug wie die Schlange, das heißt: Die Schlange ist immer ein sehr gefürchtetes Tier, weil sie zum Teil unsichtbar zuschlägt, weil sie in der Dunkelheit zuschlägt. Meint Jesus das? Nein. Er nennt sie, weil sie rasch und flink ist, weil sie sich zu wehren weiß, sich den Angreifer vom Leib halten kann, ihm neues zu Denken gibt, ihn verunsichert in seiner Brutalität, ihn in die Schranken weist. Ebenso soll die Feindesliebe sein. Natürlich nicht terroristisch psychisch und physisch tödlich. Denn zur Klugheit der Schlange gehört “ohne Falschheit” der Taube dazu. Aber zu “ohne Falschheit der Taube” gehört auch unbedingt “die Klugheit der Schlange” dazu. Alles andere wäre naiv und dem großen Lehrer Jesus Christus unangemessen.”

Am 30.12 2013 hatte ich schon einmal das Thema:

Ich habe ein Videoclip gesehen, in dem sich ca. 16jährige Mädchen miteinander unterhalten, umringt von anderen Jugendlichen, überwiegend Mädchen. Alle haben ein Smartphone zum Fotografieren parat. Da schlägt eine dem einen Mädchen auf die Wange. Und immer wieder kommt eine und schlägt sie. Und diese steht einfach da und verzieht keine Miene. Man weiß nicht, worum es geht, man sieht nur, wie sie immer wieder geschlagen wird und die Herumstehenden grölen bzw. mehr Schläge fordern. Die Geschlagene weicht höchstens ein wenig zurück – eine eigenartige Situation.

Da dachte ich mir: Wenn sie das aus Glauben tut, dann kann sie das verarbeiten… – wenn sie das nicht aus Glauben tut, sondern aus welchem Grund auch immer, dann ist sie eine, mit der die Gleichaltrigen bald tun und machen können, was sie wollen.

Wenn Jesus die Feindesliebe lehrt, dann aus der Perspektive der Stärke – und nicht die Perspektive dessen, der mit sich alles tun lassen muss. Es ist aus der Perspektive des Vaters im Himmel, dem man zugehört. Wenn dieses Vorzeichen fehlt, dann ist der Mensch wehrloses Opfer.

Und das ist, was wir meistens vergessen. Wir sagen anderen, wie toll Jesus war, wie klasse es ist, den Feind zu lieben, wie vorbildhaft… – aber das ist kein kluger Vorschlag, wenn der Kontext des Glaubens fehlt, Wenn dieser nämlich fehlt, dann liefert man den anderen irgendwelchen sadistischen Gruppen oder einzelnen aus. Und das dürfen wir als Christen nicht.

Jesus Christus, Martin Luther King, Mahatma Gandhi – das waren Menschen, die aus Stärke den Weg der Feindesliebe gingen, die damit Macht ausübten, die klug und auch gerissen waren, die wussten, wie man zum Ziel kommt, indem man zurückweicht. Es geht um intelligente Feindesliebe.

Die Evangelien zeigen, dass es – selbst dann, als es sich um die Gefangennahme und Hinrichtung Jesu ging – nicht um einfache naive Selbstaufgabe ging, sondern um ein Handeln in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, das heißt: Er handelte mit dem Ziel, Gottes Willen durchzusetzen. Und von daher steht er wie ein Fels in der wirren Brandung derer, die nach seiner Hinrichtung gieren.

Wenn wir als Kirche Jugendlichen die Feindesliebe so allgemein einpflanzen ohne diese Glaubensbasis – tun wir an ihnen nicht Unrecht, wenn sie in die Hände von Gewalttätern fallen und sie sich nicht wehren? Wir sollten auf keinen Fall die feige Feindesliebe lehren, die bequeme, die aus Angst alles mit sich machen lässt. Diese meine ich bei so manchem Erwachsenen zu erkennen.

Und ich sehe, dass ich schon 2010 auf diese Frage eingegangen bin:

Ich denke schon, dass es sich lohnt auch bei provozierenden Aussagen zu antworten. Viele wissen nämlich nichts vom christlichen Glauben, weder von der Bibel – noch von christlicher Geschichte. Was sie wissen ist, der Christ soll seinen Feind lieben – und das heißt: bei allem klein beigeben. (Ob sie es selber tun oder nur von anderen fordern – mag ich nicht beurteilen.) Sie wissen: Jesus hat sich kreuzigen lassen und um Vergebung für seine Feinde gebetet. Aber spätestens seit Gandhi und Martin Luther King sieht man, dass die Feindesliebe den Feind nicht in Ruhe lässt, sondern ihn pisackt, ihn angeht, ihn ärgert – bis sich Wahrheit und Gerechtigkeit durchsetzen. Mit klein beigeben hat das nichts zu tun. Wenn Jesus klein beigegeben hätte, wäre er auch nicht gekreuzigt worden. Den Feind zu lieben, heißt ja gerade auch, ihn für die Wahrheit zu öffnen, sie ihm nicht zu verschweigen…

Feindesliebe heißt also nie, den einfachen Weg gehen, den bequemen, feigen Weg.

Impressum http://www.wolfgangfenske.de/

KategorienAllgemein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert