Theodizee – unter diesem Wort verbirgt sich die drängende Frage: Wie kann ein Gott, den wir als den Liebenden bezeichnen, der als der Allmächtige angesehen wird und als der Gerechte, Leiden zulassen?
Das ist die große Frage so manches Zeitgenossen – bis hin zu so manches Atheisten. Weil ein solcher gedachter Gott das schlicht und ergreifend nicht zulassen kann und darf, gibt es ihn nicht.
Keinen Gott haben macht jedoch auch einsam. Man fühlt, es fehlt etwas, es ist eine Sehnsucht nach Gott vorhanden – aber man weiß sie zunächst nicht zu stillen und versucht sie in sich zum Verstummen zu bringen.
Der neue Atheismus, der fromme Atheismus, versucht an diese Stelle nun die Spiritualität des Menschen zu entdecken und auch zu setzen. Religionen haben etwas erreicht, was erstrebenswert ist: Gemeinschaft, Vergebung der Sünden, keine Angst vor dem Tod.
Da es keinen Gott gibt, so Atheisten, ist all das von Menschen gemacht worden: Gemeinschaft, Sündenvergebung, keine Angst vor dem Tod – wie kann man nun die Vorzüge der Religion hinbekommen, ohne an Gott zu glauben?
Der christliche Glaube ermöglicht auch, den Menschen zu lieben – und gleichzeitig seine abgrundtiefe Sündigkeit zu erkennen. Der Mensch ist – abgrundtief schlecht – eine Ansicht, die ich neulich von einem Fotografen gelesen habe, der Menschen in ihren Niederungen des Krieges und der Gewalt erlebt hat.
Atheismus hat die Neigung, den Menschen zu überhöhen – es gibt keinen Gott – der Mensch ist selbst Gott. Doch wer den Menschen erfahren hat, erkennt, dass es kein Lebewesen auf der Erde gibt, das so abgrundtief fallen kann wie der Mensch. Wir sehen es zurzeit an den ISIS-Islamisten, den Boko Haram, den Al-Schabab, den Taliban – aber auch an den Mafiosi in Mexiko und anderen Erdteilen. Wir haben es gesehen an den Nationalsozialisten und den Kommunisten (Stalinisten, Maoisten usw.).
Der Mensch, der die finstersten Seiten der Menschen wahrnimmt, verirrt sich leicht in der Anthropodizee-Frage. Der christliche Glaube weiß um die abgrundtiefe Bosheit – aber gleichzeitig um die unermessliche Liebe Gottes zum Menschen.
Es wird versucht, die Spiritualität der christlichen Religion zu verdrängen – um andere Religionen geht es Atheisten zumeist nicht –, um sozusagen eine a-religiöse Spiritualität zu entwickeln, in der der Mensch sich ohne Gott heimisch fühlen kann. Aber um diese verdrängen zu können, bedarf es sehr vieler Verdrängungskünste. Die Esoterik ist da schon weiter, weil sie ahnt, dass es ohne Gott, Mächte, Energien nicht geht. Die Flucht zu Mächten, Energien, fremden Göttern ist wie die Sehnsucht nach einer künstlichen atheistischen Spiritualität im Grunde nur Ausdruck der Sehnsucht nach dem wahren Gott.
Warum fällt es vielen Menschen so schwer, sich auf Gott einzulassen?
Eine Dahlie, die in der Nacht blüht, ist nur grau-schwarz. Erst angestrahlt vom Licht wird sie bunt.
Einen Wunsch habe ich: Möge das Licht spätestens dann zur Hand sein, wenn all die genannten Menschen es dringend benötigen – und möge es bei den anderen nicht ausgehen, wenn sie es dringend benötigen.
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