Ein syrischer Muslim wurde Christ und seine Familie sucht ihn zu töten: http://www.jihadwatch.org/2014/10/christian-converts-muslim-family-hunting-him-down-hopes-to-cut-his-throat Wie der Artikel einleitend schreibt: Bukhari 9.48.57 heißt es, Mohammed habe gesagt, dass Apostaten getötet werden müssten. Demgegenüber stellen Muslime im Westen immer den Kora-Vers dar: der von der Freiheit des Glaubens spricht. Und der Artikel fragt, warum sich überall Muslime auf diesen Bukhari-Satz stützen und selbst der prominente Kleriker al-Qaradwi sagt, Apostaten müssen gestraft werden, alle wesentlichen islamischen Richtungen sagen, er müsse getötet werden (Hanafi, Maliki, Shafi´i, Hanbali, Az-Zaidiyyah, Al-Ithna-´ashriyyah, Al-Ja ´fairiyyah, Az-Zaheriyyah), statt diesen Kernsatz, der im Westen so populär ist, zu übernehmen. Die einzige Frage ist unter den genannten Schulen nur, ob nur Männer getötet werden müssten oder auch Frauen.
Und damit sind wir wieder bei dem Thema: Koran-Hermeneutik. Alle berufen sich auf Koran bzw. Ahadith. Und wenn der eine oder andere sagt, das ist veraltet, das kann man heute nicht mehr machen in der aufgeklärten Welt, dann werden alle anderen automatisch sagen: Aber es ist der Wille Allahs. Das heißt, mit der westlichen Welt zu argumentieren, springt zu kurz. Muslime müssen aus dem Koran und Ahadith heraus argumentieren.
Unterschiedliche Schwerpunkte, die Muslime legen
Aber nicht nur Apostaten müssen getötet werden, sondern es gilt Krieg gegen Ungläubige zu führen, bis sie konvertieren, so manche Stellen im Koran weisen darauf hin (z.B. Sure 2, 190ff – wobei hier gesagt wird, dass der Kampf denen gilt, die Muslime bekämpfen – aber das kann recht frei ausgelegt werden: Jeder kann im Grunde bekämpft werden, der mit der islamischen Doktrin nicht übereinstimmt, denn dadurch erweist er sich ja als Feind Allahs – vgl. auch 9,5.29) Warum nun berufen sich die westlichen Muslime auf 2,256 (Es gibt keinen Zwang im Glauben“) und andere (10,99; 3,20) http://www.islamreligion.com/de/articles/661/ Und warum berufen sich die dominanten Muslime in islamischen Staaten eben auf den genannten und andere Texte? Diese Frage muss geklärt werden – von den Muslimen. Doch wie erklären Muslime in Saudi Arabien den Satz vom „Kein Zwang in der Religion“? Das finden wir hier: http://www.islaminstitut.de/Anzeigen-von-Fatawa.43+M518b0ca8598.0.html
Der Anfang des Islam nach Mohammed
Soweit ich das sehe, hat der Islam recht lebendig begonnen. Nach Mohammeds überraschenden Tod (632) gab es viele Hin und Her und auch in der Herausgabe des Koran gab es so manche Kuriositäten, bis dann die letzt gültige Version endlich alle anderen aus den Verkehr warf. Der Dritte Kalif Uthman sammelte die Suren, die auf alle mögliche Weise irgendwo aufgeschrieben worden waren. Dann kamen die Ahadith auf den Markt – und auch hier gab es ein vielfältiges Durcheinander, wie man an den jeweiligen Hadith selbst sehen kann – auch diese wurden dann im 9. Jahrhundert intensiver gesammelt. Auch auf politischem Gebiet gab es viele Spannungen – und zuletzt verfestigte sich alles dann im 9. / 10. Jahrhundert.
Nach-Mohammedanische Weiterentwicklungen
Wichtige Aussagen oder Verhaltensweisen – so die fünf bzw. sechs Säulen – haben zum Teil keinen eindeutigen Anhaltspunkt im Koran. So gibt es das bzw. die muslimischen Glaubensbekenntnisse (Schahada) so nicht im Koran: „Es gibt keinen Allah außer Allah und Mohammed ist der Gesandte Allahs“. Diese zwei Glaubensbekenntnisse sind eine Zusammenführung von Aussagen, die man in etwa im Koran findet. Die Weiterführung der Schiiten „und Ali ist der Freund Gottes“ dürfte noch weniger im Koran zu finden sein. Oder auch die Gebetszeiten und der Gebetsritus finden sich so nicht im Koran und sind zum Teil auch erst nach-mohammedanisch (Salat).
Es wird auch deutlich, dass die Haddsch begründet wird, die historisch so nicht stimmen kann. Das heißt, dass fromme Legendenbildung stattfindet und dann rühmend für den Islam ausgelegt wird. So setzt sich diese Seite mit dem Vorwurf auseinander, die Kaaba sei ein Götzentempel gewesen, der dann dem Islam angepasst worden sei: http://hadsch.dwih.info/der-schwarze-stein-ein-goetzenbild Und es wird gesagt: Ja, das war ein Tempel mit Götzen – aber Abraham hatte das Haus erbaut mit seinem Sohn Ibrahim und danach hätten die Heiden diesen Tempel entweiht und Mohammed habe ihn wieder gereinigt und seinem eigentlichen Zweck zugeführt. So gibt es auch weitere Versuche, Unstimmigkeiten des Koran mit der historischen Realität so zu interpretieren, dass sie irgendwie zusammenpassen – so zum Beispiel dass die Miriam, die Schwester des Mose und Aaron gleichzeitig die Mutter Jesu ist. Es sind aus dem Glauben heraus tiefgründige und plausible Antworten, aber historisch nicht ganz einsichtig. Warum muss man sie jedoch aus dem Glauben begründen? Weil Allah sich nicht irren kann.
Mohammeds Interpretationen bzw. Allahs Darstellungen
Das sind nur drei Beispiele für die wesentlichen fünf bzw. sechs „Säulen“ des Islam – zu denen die sechs Grundsätze gehören: Glaube an Allah und die Engel, an den Koran als Wort Allahs bzw. auch an die Bücher: Tora, Evangelium, Psalter; die Gesandten Allahs, darunter der letzte und natürlich wichtigste Mohammed ist. Unter ihnen ist auch Jesus. Genauso wesentlich ist der Glaube an das Jüngste Gericht (Hölle bzw. Auferstehung) und das von Allah gelenkte Schicksal. http://www.ahlul-sunnah.de/aqida-glaubenslehre/glaubensgrunds%C3%A4tze/
Dass hier so manche Übereinstimmung mit Juden und Christen zu erkennen ist, ist kein Zufall, denn Mohammed steht in jüdisch-christlicher Tradition. Von daher haben Juden, Christen und Muslime auch viele Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede rühren daher, dass Mohammed die von ihm weitergegebenen Worte Allahs als alleinigen Maßstab des Verstehens jüdisch-christlicher Texte ansieht. So finden wir wesentliche Aussagen neu formuliert, sodass nicht mehr der Jesus der Evangelien gilt, obwohl die Evangelien und Jesus für Mohammed relevant sind, sondern es gilt eben nur Jesus in der Interpretation Mohammeds, die mit den Worten Allahs identisch sein sollen. Oder nicht mehr die biblische Deutung Abrahams steht in seinem Blick, sondern eben seine – wie Mohammed es sieht – von Allah übermittelte Deutung. Traditionen werden aufgegriffen und neu formuliert. Das geschieht ganz bewusst, denn um diese Sicht durchzusetzen werden die Schriften der Juden und Christen als solche dargestellt, die von bösartigen Menschen verfälscht worden seien.
Fazit
Interpretationen, Modifikationen, Differenzierungen – die finden wir in muslimischen Texten genauso wie in muslimischen Traditionen, die als fester Bestandteil des Islam gelten, auch wenn sie im Koran so keinen Anhaltspunkt haben. Von daher gesehen lässt der Islam eine Menge Spielraum, etwas Neues einzuführen. Meine Frage ist, auf die ich bislang keine Antwort gefunden habe: Wie werden die fünf Säulen begründet, wie wird die Ausführung der fünf Säulen begründet? Ist bewusst, dass es sich um spätere Ausformulierungen handelt oder gelten sie auch als Ausdruck des Willens Allahs? Ist Tradition ebenso Maßstab für den Willen Allahs wie der Koran? Wurde sie nur Maßstab, weil es Gelehrte so sehen? Man weiß, dass muslimische Gruppen lange miteinander gerungen haben, um letztendlich diese Traditionen zu prägen und zu initiieren.
Was sagt uns das für die Zukunft des Islam? Es gibt auch hier mit Blick auf die Tradition und den Koran zahlreiche Möglichkeiten, dem Islam ein neues Gesicht zu geben. Sie können nur nicht aus der Moderne kommen, sondern sie müssen fromm neu begründet werden.
Was wäre, wenn man wieder auf das 7.-9. Jahrhundert in seiner Vielfalt zurückgreifen würde? Wenn die Uthman-Koran-Sammlung nicht als der Weisheit letzter Schluss angesehen werden würde, sondern man die Bibliotheken Saudi Arabiens, Jemens usw. öffnen würde, um Vorfassungen des Koran zu entdecken – und um an ihnen zu sehen, ob die Mutter des Buches wirklich der vorliegende Koran ist oder ob nicht doch eine andere Version bei Allah aufzufinden ist? Denn es sieht ja zurzeit so aus, als seien auch Uthman und die Seinen als Letzt-Redigierer im Grunde die wahren Koran-Zusammenführer. Haben sie im Sinne Mohammeds bzw. Allahs gehandelt?
Vermutlich wird das aber alles scheitern. Warum? Weil im Islam die Meinung vorherrscht: Wir müssen nichts ändern, denn der islamische Fundamentalismus hat mit dem Islam nichts zu tun. Und alle Muslime, die sich jetzt aufgrund politischen Oberwassers weit hinauswagen, werden dann ihre massiven Schwierigkeiten bekommen.
Und so kann die Welt auf ein Wunder hoffen – oder sagen: Was der Islam macht, geht mir an der Hutschnur vorbei. Nur diese Sicht hat sich bislang als trügerisch erwiesen. Denn Muslime sind nicht quietistisch.
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