Für Christen gibt es keine Gebetsregeln in dem Sinn, dass ihnen Orte, Riten, Worte vorgeschrieben sind. Aber dennoch benötigen manche von uns oder benötigen wir selbst manchmal feste Orte, Riten, Worte.
Uns kann durch viele Ereignisse der Boden unter den Füßen entzogen werden. Wie durch ein Erdbeben Menschen die Erfahrung machen, das, was fest war, ist wie Wasser – so können uns Verlusterfahrungen den Boden unter den Füßen wegziehen: der Verlust eines Menschen durch dessen Sterben, der Verlust durch Vertrauensbruch und Trennung, der Verlust an Gesundheit und das Erkennen: Meine Gegenwart wie meine Zukunft sind nicht mehr planbar, ich bin ausgeliefert – wem und was auch immer.
Diesen Zeiten der Heimatlosigkeit können wir einen kleinen Stabilisierungsmoment entgegenhalten: feste Gebetsorte, Gebetsriten, Gebetsworte. Manche gehen in Kirchen, die immer geöffnet sind oder in die Natur, zur Lieblingsbank, manche richten sich zu Hause einen Ort ein, an dem sie sich besonders wohl fühlen, sie schmücken ihn mit einem Kreuz, einer Ikone, mit Blumen, Bildern, die ihnen wichtig geworden sind, mit schön abgeschriebenen Worten die aufrichten, mit einer Bibel, einer Kerze. Und diesen Ort besuchen sie zu einer ganz bestimmten Zeit am Tag, in der sie Ruhe finden, abschalten, ganz einfach vor Gott bewusst da sein können, mit ihm reden und auf ihn hören können.
Trotz aller Freiheiten im Gebet, können solche Heimatorte des Gebetes, können feste Gebetszeiten und Riten auch eine große Hilfe sein. So zum Beispiel am frühen Morgen, wenn noch alles still ist… – können wir uns, unsere Lieben und die Welt in Gottes Hand legen, oder kurz vor dem Schlafen gehen können wir den Tag Revue passieren lassen und aus Gottes Perspektive betrachten – oder beim Mittagsläuten können wir Gott sagen, wie wichtig er uns ist.
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