1946 schreibt Albert Camus: “Wir haben erlebt, wie gelogen, erniedrigt, getötet, deportiert, gefoltert wurde, und jedesmal war es unmöglich, jene, die es taten, zu überreden, es nicht zu tun, weil sie ihrer selbst sicher waren und weil man eine Abstraktion, das heißt den Vertreter einer Ideologie, nicht überreden kann… Und es versteht sich, ein Mensch, den man nicht überreden kann, ist ein Mensch, der Angst einflößt… Um von diesem Terror loszukommen, müßte man nachdenken und nach den eigenen Überlegungen handeln können. Aber gerade der Terror ist kein günstiges Klima zum Nachdenken…” (Das Jahrhundert der Angst)
Und das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben – Politiker, Medien, Pfarrer, Lehrer, Privatleute: Wir können noch nachdenken. Vielen Menschen ist das Nachdenken verwehrt, weil sie unter dem Terror leiden müssen, weil sie Angst haben, flüchten, sich verstecken müssen, weil sie lieber schweigen, um ja nicht aufzufallen und dann geköpft, gehängt, abgeknallt, erstochen, überrollt, gekreuzigt zu werden. Wir können noch nachdenken – und sollten die Zeit dazu nutzen, damit wir Wege finden, dem Terror Widerstand entgegenzusetzen, bevor er auch uns erreicht. Wir kennen die Grundlage der gegenwärtigen Terroristen und Ideologen. Wahrnehmen, gemeinsam mit Menschen guten Willens Wege aus dem sich zuziehenden Netz zu finden – das ist die Aufgabe, die dieser Generation aufgegeben ist. Es hat sich sonst bald ausgespaßt und ausgewellnest.
Wir dürfen uns nicht ins Bockshorn jagen lassen, nicht die Meinungsfreiheit, die Redefreiheit verbieten lassen. Nicht die Zensur in den Köpfen ausbreiten lassen – noch sind wir frei – aber wie schnell löst sich die Freiheit auf, wenn wir aus Angst vor Ideologen schweigen, wenn wir Ideologen für uns denken lassen, weil wir feige sind. Wenn wir uns verbieten lassen, über die bierernsten Ideologen unsere Späße zu machen, oder den Forderungen nachgeben, sie mit Samthandschuhen anzupacken, nur um sie zu besänftigen, dann haben wir schon verloren. Macht Späße über die Terroristen und die Gedanken-Einenger, werft die Samthandschuhe ab und redet Tacheles! Sich zu ihren Komplizen machen zu lassen sollte uns widerwärtig sein: gegen rechte, linke, religiöse – und was es zurzeit sonst noch alles auf dem Markt gibt – Ideologen.
Ich bewundere Schmetterlinge. Äußerst gefährdet – aber auf ihre leichte Art überstehen sie jegliche Verfolgungen – sie verkriechen sich nicht, sondern erheben sich allen Feinden sichtbar in die Lüfte. Frei. Pure Freiheit trotz der 1000 Augenpaare und Schnäbel, die auf sie gerichtet sind. Schmetterlinge – wunderbare Wesen der Schöpfung Gottes uns Freiheit zu lehren, trotz Gefährdung.
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