Wenn man den Menschen als Gattung gut kennt, sehr gut kennt, seine Art, sein Leben, dann gibt es zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren:
1. Mit Rückzug – der Mensch ist lächerlich in seinem Gehabe, er ist einfach kurios, verächtlich. Wie er von sich überzeugt, bräsig, lässig sich gibt! Der Zornesgickel oder die Zeterhenne. Wie er sich so wichtig nimmt, das Zentrum der Welt – und ist doch nichts als Einbildung. Wie ernsthaft er seinen nichtigen Beschäftigungen nachgeht, sie verteidigt, verbissen wie ein Hirschkäfer seinen kleinen Zweig.
2. Mit Liebe – nicht weil er liebens-würdig ist, sondern einfach, weil er in Hoffnungslosigkeit einsam ist, weil er seine Niederlagen mit Spaß und Zerstreuung übertüncht. Weil man Mitleid hat mit diesem irrenden, aufgeblasenen, leidenden Wesen. Mit dem Wesen, das sich Mühe gibt zu lieben, Gutes zu tun, das über sich hinausgeht und wenn es gut geht, den anderen Wert schätzt. Was gibt es Schöneres zu sehen, wenn Menschen miteinander harmonieren, einander gut sind?
Ich frage mich manchmal, wenn man den Menschen als Gattung wirklich kennt – kann man ihn dann wirklich lieben? Und so fragt man Gott: Du kennst den Menschen, du kennst mich, du kennst uns alle in unserer aufgeplusterten Erbärmlichkeit und den kleinen Versuchen, auf andere zuzugehen – wie kannst du uns lieben?
Und dann stehen wir staunend da und sehen und hören und fühlen: Er tut es. Schlicht und ergreifend: Er tut es. Und weil er es tut, öffnet er uns, dass wir es ihm gleich tun können. Manchmal lassen wir es zu.
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