Im Buch von R.J. Berry (Gott oder Zufall?) wird dargestellt, dass die Wissenschaft der jeweiligen Zeit die Interpretation der Bibel prägte. Und wenn sich nun die wissenschaftliche Sicht ändert, wird das von Frommen wie von atheistischen Wissenschaftlern als Affront gegen die Bibel angesehen. In der Bibel selbst haben unterschiedliche wissenschaftliche Weltsichten der jeweiligen Zeit Eingang gefunden. So zum Beispiel der Dualismus: Körper und Seele – von den Kirchenvätern durch Plato und Philo-Lektüre bevorzugt. Gleichzeitig wird der Monismus vertreten, der eher semitischem Denken entspricht: Der Mensch ist eine Einheit. Und gegenwärtig vertritt die Neurowissenschaft eher ein monistisches Bild, was als Affront gegen das dualistische Weltbild der Bibel angesehen wird – eben fälschlicherweise, weil nicht die Bibel das dualistische Weltbild allein betont, sondern die traditionelle, an der Wissenschaft angelehnte, Bibelinterpretation.
Nur am Rande: Christen, die sich stark auf Paulus berufen (auch wenn bei Paulus unterschiedliche Vorstellungen parallel vorhanden sind), sehen, dass nicht die Seele den Körper überlebt und zu Gott eingeht, sondern es herrscht eher monistisches Denken vor: Gott erschafft den Menschen aus seinem ihm ganz eigenen Wesen neu. Der Aspekt, dass der Körper vergeht und die Seele aufersteht – ist eher leibfeindlich, also gnostisches Denken. Der Mensch als ganzer vergeht, so verstehe ich Paulus, und Gott erschafft den Menschen neu, wie gesagt (bei Paulus kommt freilich noch der im Menschen wohnende Gottesgeist bei diesem Prozess ins Spiel). Das ist jedoch heute kaum zu vermitteln, weil es für die Meisten ein so schöner Gedanke ist, dass die Seele überlebt und zu Gott geht – oder, wenn man ungläubig ist, zu den Sternen, oder hinduistisch/buddhistisch angehaucht: in einem anderen Lebewesen bzw. im Nirwana wieder Unterschlupf findet.
Impressum
auf www.wolfgangfenske.de – www.predigten-wolfgangfenske.de