Hawking fordert Sterbehilfe für Todkranke: http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article120174917/Stephen-Hawking-fordert-Sterbehilfe-fuer-Todkranke.html Man kann einzelne Menschen verstehen, wenn sie das fordern. Aber eine Gesellschaft muss immer alles im Blick haben, nicht nur den einzelnen Menschen, der dies fordert. Warum? Hawking sagt, jeder müsse es selbst entscheiden können. Nur: Aufgrund welcher Faktoren entscheidet er? Weil seine Familie es will? Weil er niemandem zur Last fallen will? Weil er sich selbst eine Last ist? Weil er in einer depressiven Phase steckt? Weil sein Hirn nichts anderes mehr zu denken bekommt und ständig darum kreist? Weil der Mensch einsam ist – keine Menschen hat? Weil er es Erben schuldig ist, die gerade jetzt ein Häuschen bauen wollen? Vor allem muss eine Gesellschaft im Blick haben: Was ist mit Menschen, die nicht mehr selbst ihr Sterben-Wollen aussprechen, sei es, weil sie im Koma liegen, sei es aufgrund anderer Hirnerkrankungen. Und wenn Sterbehilfe eine Option ist, dann kommen solche Menschen ganz schnell in den Blick, weil die Gesellschaft immer gerne Menschen los wird, die ihnen zu teuer kommen. Das alles und viel mehr muss eine Gesellschaft in der Diskussion berücksichtigen.
Und dann ist noch der religiöse Aspekt zu berücksichtigen. Religionen gehen davon aus, dass Gott bestimmt, wann die Zeit eines Menschen vorbei sein soll. Das Problem ist nun, dass der Mensch auch lebensverlängernde Maßnahmen einleitet. Es ist also gegenwärtig weder in der Lebensverlängerung noch in der Sterbehilfe mehr Gottes Handeln gefragt. Wie gehen wir damit um? Kirchen sind gegen die Sterbehilfe – wobei sie dann aber auch gleichzeitig mit all ihrem Können dafür eintreten müssen, dass Menschen nicht sterben wollen, weil sie einsam sind, weil sie von Angehörigen gedrängt werden oder sich bedrängt fühlen…
Und Kirchen müssen schon im Vorfeld auch die Menschen im Blick haben, die die Sterbehilfe ausführen – haben sie nun einen Mord begangen…? Wie können sie ihre Seele befreien?
Was ich an Hawkings Aussage gut finde: Menschen mit Behinderung sollen nicht denken, was kann ich nicht mehr, sondern was kann ich noch. — Und wenn ich gar nichts mehr kann – außer im Bett liegen? Die christliche Antwort ist: Ich kann dann immer noch beten – die Welt und Menschen in Gottes Hände legen, und dadurch an der Welt wirksam werden. Freilich soll damit nicht das Nutzendenken in den Blick rücken, denn das Nutzendenken ist das, was in diesem Thema das Übel ist: Was nützt ein Mensch, der nichts mehr kann? Nein, ein Mensch hat nicht Wert und Würde, weil er zu etwas nützt, sondern allein darum, weil er Mensch ist. Und dieses Nutzen-Denken muss auch den Menschen bewusst gemacht werden, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchten: Du hast Wert und Würde, obwohl du der Gesellschaft keinen Nutzen bringst. Das Nutzendenken darf nicht unser Handeln bestimmen, wenn es um Wert und Würde geht.
Der Schmerz vielleicht. Vielleicht der Schmerz. Ist der Schmerz – vor allem die Angst vor Schmerz – ein Grund, sich zu entziehen? Sicher, es gibt Schmerztherapien – es gibt Menschen, die ihr Leben Lang mit Schmerzen umgehen lernen müssen – und dennoch ihr Leben, das Gott ihnen geschenkt hat, lieben. Sie merken, wie sie reifen, lernen, die Welt aus einer anderen Perspektive, der Perspektive Gottes zu sehen, das Vordergründige zerplatzt und der Blick in die Weite, die Tiefe ist frei. Wir denken immer: Gesundheit bringt weiter, Wohlergehen führt weiter, Wohlstand führt weiter, viele Freunde und Ansehen führen weiter. Doch all das macht eher oberflächlich. Das sollten wir scheuen, diese lärmende, alberne Oberflächlichkeit, denn sie verhindert es, das wahre Leben zu erkennen, zu durchleben und durchleiden.
Sein Leben, wie auch immer es ist, aus Gottes Hand nehmen, mit ihm Wege suchen – ist auch eine Form, Leben und Sterben einzuüben.
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