Wegen C. Wurst will die türkische Regierung – wohl in Übereinstimmung mit einem großen Teil des türkischen Volkes nicht mehr ESC übertragen: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/erdogans-staatssender-boykottiert-esc-conchita-wurst-beendet-eurovisions-teilnahme-der-tuerkei/9885756.html Und auch Russland will einen eigenen Wettbewerb austragen – zumindest denken das manche: http://diepresse.com/home/kultur/popco/3804863/Song-Contest_Russland-will-eigenen-Bewerb-austragen
Was ich bei C. Wurst befürchte, ist, dass er nicht aufgrund seiner Stimme gewählt wurde, sondern wegen seiner Kunstfigur. Nach dem Motto: Das war ein Spaß – das haben wir ja noch nie gesehen – also wählen wir ihn. (Bei manchen mag auch noch der Kick gegen Putin mitgespielt haben.) Und wenn er denn gewählt ist und jeder jubelt, weil er sich so tolerant hält, dann wird die Kunstfigur wieder in der Versenkung verschwinden. Wenn jedoch einer, wie die türkische Regierung, so ein Aufhebens davon macht, wird die Kunstfigur ein Politikum bleiben.
So, und jetzt bin ich gespannt, welche Kunstfiguren in den nächsten ESC Jahren in den Vordergrund gespielt werden. Ich mag nicht spekulieren.
Wie Tolerant unsere Toleranten sind, zeigen sie daran, wie sehr sie die Toleranz herausstellen, die zur Wahl von C. Wurst geführt habe. Wie tolerant wir sind! Anders als die Russen und Türken! Schulterklopf.
Toleranz = wenn man etwas nicht akzeptiert, aber dennoch nicht bekämpft. Was bedeutet diese Definition für die Medien, die Jubelrufe ausstoßen über die Toleranz Europas angesichts der Wahl von S. Wurst? Das bedeutet: Sie finden sich klasse, dass sie endlich einen, den sie nicht akzeptieren, groß werden ließen.
Aber vielen wird das nicht bewusst, dass sie damit eben zeigen, wie anormal sie diese Kunstfigur halten. Normalität ist erst dann eingetreten, wenn einer, der eine solche Kunstfigur schafft, nicht mehr oder weniger beachtet wird, als jeder andere Mensch auch. Und dann gewählt wird, weil er eine tolle Stimme hat. Solange das nicht der Fall ist, können wir auch sagen, dass die Fürstenhöfe, die Kleinwüchsige als Spaßmacher hatten, auch ihnen gegenüber tolerant waren.
Obwohl beim ESC weiß ich nie, warum einer gewählt wird. Die Stimme wird es nicht unbedingt sein.
Und was halte ich von C. Wursts Einlage? Ich hätte ihn auch nicht gewählt. Stehe damit in dieser Hinsicht hinter der Jury. Hier sieht man übrigens wieder die großartige Toleranz der selbst ernannten Toleranten, die alles überrollt, was nicht so will sie sie es wollen: http://www.focus.de/kultur/musik/eurovision-song-contest/esc-2014-conchita-wurst-toleranz-jury-madeline-juno-madeline-juno-nie-wieder-mach-ich-sowas-mit_id_3836537.html Und da wird deutlich gesagt: Die Jury hat den Zeitgeist nicht erkannt („Diese Jury zeigte kein Gespür für Zeitgeist oder überhaupt den Geist des ESC“) ! Nein, sie hat ihn nicht erkannt, weil sie die eigene Meinung und dem eigenen musikalischen Geschmack folgte. Stellt euch mal vor, ihr Toleranz-Schreier, das gibt es: Menschen, die eine eigene Meinung haben und nicht ständig danach schielen, was die Modeströmungen sagen.
Manchmal muss man solche Kalten-Kaffee-Sprüche und Selbstverständlichkeiten sagen, weil sie es leider nicht sind.
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Man mag gegen vieles sein, was Politiker so machen. Aber wehe, wenn das Volk irgendwelchen Privatmenschen ausgeliefert sind, die meinen, Recht und Gesetz und alles selbst in die Hand nehmen zu müssen: http://www.welt.de/politik/deutschland/article128017699/Aktionskuenstler-setzen-Schwesig-unter-Druck.html
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