Theodizee 2

Bevor die Personen der Familie Scholl wie in Theodizee 1 angekündigt intensiver dargestellt werden, noch einige Anmerkungen:

Das ist an der Biographie der Familie Scholl zu sehen. Inge (*1917), Hans (*1918) und Sophie (*1921) Scholl sind vom National-Sozialismus begeistert. Er eint das Volk, er fördert die positiv verstandene (Bildungs-) Elite, er sorgt dafür, dass alle teilen müssen, alle sind gleich viel Wert (die zum Volk gehören) – und so versuchen sie, den National-Sozialismus zu leben und auch als Leiterinnen/Leiter der Jugendgruppen (HJ) zu fördern und zu verbreiten. Wobei sie von der bündischen Jugend (dj. 1.11 [Deutsche Jungenschaft]) ausgehend nicht nationalsozialistisch orientiert waren, dann aber durch den Eingang der bündischen Jugend in die HJ immer stärker nationalsozialistisch indoktriniert wurden. Ohne zu ahnen, dass er nicht dem entspricht, was sie sich von ihm erträumen. Das wird an dem Beispiel deutlich: Der National-Sozialismus hat ermöglicht, dass es Mädchengruppen gab, die auch Sport trieben usw. Diese emanzipatorische Seite hat großen Eindruck auf Sophie Scholl gemacht – aber dass er anderes im Sinn hatte mit den Frauen, das wurde der Jugendlichen zum frühen Zeitpunkt noch nicht bewusst. Zudem: Evangelische Kirche und Nationalsozialismus gehörten für sie einfach zusammen, weil sie es als Kinder und Jugendliche durch die nationalsozialistischen Pfarrer vor Ort auch so erlebt haben. Bis ihnen dann langsam die Augen geöffnet wurden – nicht zuletzt durch Otl Aicher (1922-1991), der als (freier) Katholik das Übergriffige des Nationalsozialismus kennen gelernt hatte und von Anfang an massiv Widerstand leistete – schon als Jugendlicher. Er wurde durch Werner Scholl (1922-1944) in die Scholl Familie eingeführt und half den Geschwistern Scholl die Augen zu öffnen, indem sie eine neue Basis bekamen: Reflexion über den christlichen Glauben. Zudem kamen sie mit anderen katholischen Personen zusammen, die sie in ihrer Aversion gegen den Nationalsozialismus stärkten (Carl Muth [1867-1944], Kurt Huber [1893-1943], Alfred von Martin [1882-1979], Theodor Haecker [1879-1945]…). Parallel zum Nachdenken und Wachsen im christlichen Glauben veränderte sich die Haltung zum Nationalsozialismus. Zu  beachten ist, dass Otl Aicher in seiner Biographie nicht christliche Theologen, sondern Nietzsche betont. Aicher vertritt eher eine rationale Form des Glaubens, während die emotionale Form des christlichen Glaubens in der Verbindung mit Sophie Scholl eine größere Rolle spielt (O.A. 75ff.). Aicher beschreibt später, dass unter anderem Augustinus das Denken auch von Sophie geschärft hat, es zur Autonomie geführt hat, „die es uns erlaubte, gegen eine ganze welt zu stehen, wenn wir uns im einklang mit uns selbst fühlten“ – was dann auch dazu führte, Augustinus und seine Sicht vom Staat – mit Blick auf den Nationalsozialismus – zu kritisieren (O. A. 173 f.).

Zur Theodizee-Frage:

Das Thema Leiden wird durch die Geschwister Scholl zunächst nicht rational intensiver wahrgenommen. Der Krieg kommt näher. Man beschäftigt sich theoretisch – und ohne zu wissen auf das Kommende vorbereitend – mit dem Thema Gott und damit auch mit dem Thema Leiden (Bibel, Augustinus [354-430] ist dafür besonders relevant, Dostojewski [1821-1881], aber auch katholische Reformbewegung: Paul Claudel [1868-1955], George Bernanos [1888-1948], Jacques Maritain [1882-1973]…, sowie mit Sören Kierkegaard [1813-1855], Blaise Pascal [1623-1662] und moderne Christen: Werner Bergengruen [1892-1964], Manfred Hausmann [1898-1986], Hans Carossa [1878-1956], Reinhold Schneider [1903-1958] usw. Wen sie wohl nicht wahrnehmen konnten, sind die protestantischen Kritiker nationalsozialistischer Ideologie: Dietrich Bonhoeffer, Karl Barth, Paul Schneider, Martin Niemöller, Julius von Jan…

Fortsetzung folgt.

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