Menschen, Menschen, Menschen und Glauben

Vorweg: Der Glaube ist eine Größe, die den ganzen Menschen umfasst. Das Denken ist nur ein Teil einer umfassenden sich Verortung des Menschen in der Welt. Der Mensch ist mehr als logisches Denken – und das logische Denken ist Teil dieser umfassenden Verortung und nicht isoliert vom Gesamtmenschen zu sehen.

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Ich denke, ich habe schon häufig gesagt: Glaubende können Gott nicht beweisen, wenn man ihn unter die Lupe legen könnte, wenn man ihn mit den Teleskopen finden würde – wäre er nicht Gott. Gott ist kein Teil der Schöpfung. Allerdings finden Glaubende – eben als Glaubende – Spuren Gottes in der Schöpfung: in der Natur, in der Bibel, in der Geschichte, im Menschen, im Verstand und – manche mögen es nicht glauben – : auch in der Kirche, in Christen!

Entsprechend können Glaubende nicht den Heiligen Geist beweisen, können nicht beweisen, dass Jesus Christus in engster Einheit mit Gott steht. Aber sie können all das bekennen – und zwar jeder und jede so, wie es ihnen ihr Leben erlaubt, ihre Erfahrung, ihr Hirn, ihr jeweiliger Stand im Glauben. Denn auch die Adressaten des Bekenntnisses sind vielfältig. Manche sind so schlau wie ich – und nehmen darum mein Bekenntnis an. Manche sind so eingeschränkt im Denken wie ich – und nehmen mein Bekenntnis an. Manche sind so durcheinander wie ich, sie finden mein Bekenntnis cool, manche sind so still und schweigsam wie ich und finden mein Bekenntnis besser als alle anderen Bekenner, manche sind so albern wie ich und finden es witzig, wie und was ich bekenne.

Weil Christen Gott und alles, was damit zusammenhängt, nicht beweisen können, kann man natürlich sagen: Quatsch. Alles Blödsinn. Klar. Diese Reaktion ist Glaubenden auch verständlich. Die Frage ist nur: Können Glaubende einfordern, dass man auf menschlicher Ebene miteinander umgeht? Wenn nicht – sie sind es auch gewohnt, dass man intolerant mit ihnen umgeht, sie als naiv oder sonstwie belächelt, sich erhaben fühlt über sie. Sie kennen das alles ja schon. Und? Was soll es. Die anderen wissen es ja nicht besser.

Glaubende sagen: Gott hat sich mir offenbart. Gott hat sich mir gezeigt, ich habe ihn gehört, gespürt… Gott ist mir näher als ich mir selbst bin. Glauben ist nicht beweisbar, aber Gott ereignet sich in meinem Leben. Dagegen kann man nun alles Mögliche einwenden. Das wissen Glaubende auch, weil sie es sich ja auch selbst fragen: Was ist eigentlich mit mir los? Wie kommt es, dass ich glaube? Auferstehung? Ewiges Leben? Freude im Leben trotz der Angst? Vergebung trotz Schuld? Jesus Christus im herzen, auf den Lippen?

Man kann sagen: Es gibt viele Religionen, jeder glaubt an die Religion, in der er aufgewachsen ist, man kann an das Einhorn und an den Nikolaus glauben (wobei es wohl kaum Erwachsene gibt, die daran glauben – aber man kann es als Nichtglaubender ja den Glaubenden vorwerfen – alles gleich absurd). Man kann sagen: Gehirn spielt verrückt, der Mensch, der das glaubt, der ist entsprechend psychisch veranlagt, er braucht einen Vaterersatz, einen Mutterersatz, ein Kuscheltierersatz… Man kann sagen: Träumer…, was weiß ich, was man noch alles sagen kann. Manche sehen Feen, Kobolde und Geister – so glauben eben manche auch an Gott. Und: Man kann darüber spotten, kann versuchen, mit allen Mitteln der menschlichen Ratio das zu widerlegen. Klar, das kann man machen. Aber was sagen Glaubende dazu? Ja und? Kannst Du alles so sehen und interpretieren. Ich aber bete für Dich.

Und die Kirchen erst – die Christen durch die Geschichte: Alles Lüge und Intrige. Ihre Vertreter: nichts als Übel. Alles, was sie sagen, ist schwammig. Hat man sie widerlegt – finden sie wieder ein Türchen, durch das sie schlüpfen. Alles Betrüger, die mit den Mächtigen zusammen ihre Pfründe hegen und pflegen, sexuell und wirtschaftlich ausbeuten und…. Kreuzzüge, Hexenverfolgung, Gold-Mission, Sklavenhandel… – Kritiker haben ja in vielem so Recht! Wer kann dem widersprechen? All das ist in einem Übermaß zu finden, ist schlimm, ist barbarisch. Spricht das gegen den christlichen Glauben? Es spricht für ihn: Gott ließ dem Menschen Freiheit, auch dem glaubenden Menschen. Und auch der Glaubende Mensch ist ein Sünder, der gegen Gott ankämpft. Je nach Glaubensstatus. Auch Glaubende wollen Gott in die Hand bekommen, über ihn herrschen, mit ihm in der Hand die Menschen beherrschen. Gott, ein nützliches Werkzeug für Machtmenschen. Schlimm – aber dem ist so. Und Gott – wehrt sich nicht? Doch, durch all die vergessenen und übersehenen Opfer in der Geschichte.

Man kann sich als Gegner des Glaubens dann auch wunderbar aufplustern: Heute haben wir Wissenschaft, heute haben wir den Verstand, der Mensch ist heute ein klasse Tier, das sich prächtigst entwickelt hat, er wird die Glaubenden bald überflügeln, wenn sie nur ein wenig Bildung bekommen, flügeln sie mit – und es werden die schönsten Ideale erträumt, man glaubt sogar daran, dass der Mensch ein prima Wesen ist und alles Böse kam im Grunde mit dem Glauben an Gott, besonders mit dem Monotheismus, der Juden und daraus folgend der Christen. Oder: Es gibt eigentlich nichts Böses. Alles nur normale Aggression. Böses/Sünde ist religiöse Sprache ohne Sinn und Relevanz. Wie auch immer: Man wird die Kriege rein rational beenden, man wird die Wirtschaft zum Wohl der Menschen auf der Welt durchsetzen, man wird überall nur blühende Bildungsgärten haben, die Menschen lachen, sind fröhlich, friedlich, voller Freiheit… Die Demokratie wird man vervollkommnen, das Recht… Die Zukunft des Gottesreiches, des Schalom, auf die das Christentum zugeht, hat man säkularisiert: Nicht Gott schafft sie – wir packen´s auch allein. Bis dann der nächste aus rationalen Gründen herbeigeführte Krieg alles in Schutt und Asche legt. Und wer war es dann wieder? Die bösen Religionen. Dem Ratio-Mensch fällt kein besserer Sündenbock ein – weil er sich ja als der Reine ansieht (religiös säkularisiert).

Die Ethik des Ratio-Menschen ist sowas von einleuchtend. Hoppla, da streiten sich doch die unterschiedlichen Gruppen – egal – die anderen Atheisten sind eben noch infiziert von Religion. Ich hingegen bin frei von diesen Infektionen. Aber als Atheisten kann man wenigstens diskutieren. Kann man. Ab wann beginnt die Würde des Menschen? Was ist Würde? Kommt sie jedem zu? Auch dann, wenn das Geld in Staatskassen knapp wird? Christen sagen ja doch nur – vollkommen unbegründet: Gott will. Äh, sagen sie nicht unbegründet? Egal: Die Glaubenden sehen sich als die besseren Menschen an – aber das stimmt nicht, wir Ratio-Menschen sind die besseren Menschen. Wir Ratio-Menschen sind wenigstens unabhängig. Die unendliche Diskussionsrunden der Ratio-Menschen guten Willens zu ethischen Fragen wurde inzwischen auch schon pragmatischer gesehen: Wir lassen den Status Quo so lange, bis wir uns geeinigt haben. Und wer ändert dann den Status Quo auf einmal? Nicht diejenigen, die sich in unendlichen Weiten der vernünftigen Diskussion verirren, sondern irgendwelche Gruppen, die sagen: Jetzt müssen wir ändern – warum auch immer. Macht haben wir, ändern wir´s.

Glaubende versuchen allerdings nicht zu schweigen oder nur irgendwie zu bekennen, sondern versuchen ihren Glauben zu begründen. Das geht freilich nur bis zu bestimmten Grenzen, die oben genannt worden sind. Man versucht alle möglichen Erkenntnisse mit heranzuziehen: Sprache – was ist Sprache – Sprache des Glaubens (Metaphern)…; es werden Fragen der Erkenntnis angesprochen: Wie kann ein Mensch erkennen…? Es wird angesprochen, dass Erkennen und Persönlichkeit des Individuums zusammengehören, dass man interpretiert, dass man als individueller Mensch genauso wie als Gruppe abhängig ist von dem, was einen prägt, bestimmt, Charakter, Erziehung, Scheuklappen oder Weite…, dass man Erfahrungen anspricht (Liebe), die Frage der Geschichte, des Menschen in der Geschichte… Wie kommt es, dass Materie lebt, liebt, denkt? Entstehung von Etwas aus dem Nichts? Was auch immer Nichts und Etwas ist. Dann kann man natürlich auch immer wieder hören: Papperlapppapap – du beweist gar nichts. Nein, man beweist auch gar nichts. Geht ja auch nicht, wie eingangs gesagt. Aber: Was erscheint dir plausibel? Mir scheint plausibel, was ich beweisen kann, was die Wissenschaft herausfindet, ich finde alles ganz toll hier – wenn die Religion nicht wäre?

Ach so, Glaubende. Wer glaubt richtig? Es gibt so viele! Wenn wenigstens nur ein Glaube da wäre, dann hätten wir Gott bewiesen, dann wüssten wir, woran wir uns zu halten hätten… Echt? Glaube enthebt nicht davon, dass ich verantwortlich entscheide. Glaubende sind so vielfältig, wie es Individuen eben sind. Welches kuriose abgründige Bild tut sich in denen auf, die einen Einheitsglauben samt Einheitsmenschen fordern? Genau das Bild, das die religiösen Extremisten herbeizuzwingen gedenken, damit sie den Nichtglaubenden einen Beweis bieten können. Aber die Forderung nach einem Einheitsglauben ist Flucht davor, sich für den Glauben zu entscheiden. Warum? Denn wenn es den Einheitsglauben gäbe, würde man sich sicher darüber mokieren, dass die Glaubenden alle Hirngewaschen sind. Zu recht. Von daher: So viel Individuen es gibt, so viele unterschiedliche Glaubenden. Und das hat Gott doch klasse gemacht, oder? Dass er Freiheit lässt, dass Glaubende einen einheitlichen, gemeinsamen Kern haben – das wiederum sehen Glaubende. Ich vermute, Nichtglaubende können das auch sehen, wenn sie wollen. Bin mir aber nicht sicher, ob es eine Frage des Glaubens ist, die Einheit der Glaubenden trotz Verschiedenheit zu erkennen. Allerdings. manche Glaubende sind auch furchtbar blind.

Ich vergaß noch die Bibel: Was für ein Chaos! Widersprüche noch und nöcher. Der sagt Hü, der sagt Hott – was Jesus nicht kennt, Paulus benennt… Hat der Heilige Geist nicht etwas Besseres hinbekommen? Glaubende erkennen: Nein, hat er nicht – es gibt nichts Besseres. Nichtglaubende sehen nur willkürliches Zusammengestoppel. Dieses willkürliche Zusammengestoppel kann man wunderbar in Tausende kleine Einzelteilchen anführen, um zu zeigen: Bibel taugt nichts. Vielleicht historisch – aber sonst! Aber doch macht sie Sinn für Glaubende. Ein verdurstender In der Wüste sähe aus der Perspektive von oben: Ab nach links, hinter der Düne eine Oase! Aber da er nichts sieht mitten in den Dünen, geht er rechts ab in die Wüstenweite. Glaubende haben eine andere Perspektive – und so sehen sie es, die schenkt ihnen Gottes Geist. Schönes Bild: Geist als Taube – hat den Überblick von oben und schenkt einem diesen. Und der führt sie durch dieses unglaubliche Chaos hindurch. Hat der Geist Gottes es nicht besser hinbekommen können? Gott hat die Natur in einer unheimlichen Vielfalt geschaffen – den Menschen, den Glaubenden, warum sollte er auch nicht für alle etwas geschrieben haben? Aber berufen sich dann eben nicht auch die Übeltäter auf die Bibel? Tun sie. Man kann den Geist Gottes ausschalten – das Navi ausschalten, man findet sich selbst zurecht, findet sich zurecht mit Hilfe erstarrter Tradition, mit Hilfe von Rechthaberei, eingefahrenen Unmenschlichkeiten… Und das Irren beginnt, manchmal auch die Barbareien. Von daher gehört es zum Bibellesen unbedingt dazu: Sich die Außenperspektive schenken zu lassen. Und dann finde ich, der ich Trost benötige, Trost. Derjenige, der Ansporn benötige – oder auch ich benötige es vielleicht morgen – bekommt Ansporn und Anstoß. Nichts ist beweisbar. Auch hier: Klar, ist das nicht beweisbar.

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Um nicht künstlich missverstanden zu werden: Ich habe nichts gegen die Bemühungen der Menschen worin auch immer, eine bessere Gesellschaft herzustellen, Wissenschaft zu optimieren, auch nichts dagegen, die Religionen immer wieder zu hinterfragen, sie in Frage zu stellen, Christen auf die Diskrepanz zwischen Anspruch und Glauben hinzuweisen… – aber damit sind wir schon wieder bei der Religion: Gott als Erhalter der Menschheit regt sich auch in Menschen, die von ihm nichts wissen wollen. Und: Ich schrieb es vor langer Zeit schon einmal: Christen können Atheisten dankbar sein. Denn sie tragen dazu bei, dass man sich als Glaubender besinnt – und dann den Weg einschlägt, wenn alles gut geht, den Jesus vorgespurt hat. Auch Atheisten können wunderbare Werkzeuge Gottes sein. Sorry, dass ich das aus der Perspektive des Glaubens sagen muss. Das ist gemein. Ich weiß. Aber: So ist es nun einmal. Zumindest aus meiner Perspektive.

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Warum noch miteinander reden, wenn der christliche Glaube nichts beweisen kann? Weil wir Menschen mit unterschiedlichen Welt-Anschauungen neugierig sind: Wie sieht der andere die Welt? Und weil wir neugierig sind, müssen wir eben freudig und ernst unsere Sicht so gut es geht, kommunizieren. Kommunikation ist wichtig, um unsere Gesellschaft friedlicher zu gestalten.

https://www.wolfgangfenske.de/impressum-datenschutz.html und www.blumenwieserich.tumblr.com

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