Sexualität

Die Sexualität hat der Mensch bekanntlich mit dem Tier gemeinsam – aber ihn unterscheidet von den (anderen?) Tieren, dass er sie beherrschen, verantwortlich mit ihr umgehen kann. Dieser verantwortliche Umgang mit der Sexualität musste menschheitsgeschichtlich langsam gelernt und durchgesetzt werden – ist jedoch noch nicht ans Ziel gelangt. Damit umzugehen haben Gesellschaften über Raum und Zeit hinweg unterschiedliche Möglichkeiten gefunden. Da Sexualität immer auch mit der Zeugung von Nachkommenschaft verbunden war, wurde sie damit auch engstens verbunden. In Kulturen, die unverantwortlich bzw. undiszipliniert mit der Sexualität umgegangen sind, waren die Frauen die Leidtragenden oder aber auch die geborenen Kinder, die dann ausgesetzt oder umgebracht wurden (natürlich auch die Jungen, die wehrlos waren). Das prägte und prägt weltweit noch immer die Menschheitsgeschichte.

Aber: Durch die vielfältigen und leicht zugänglichen Verhütungsmittel bekommt die Sexualität einen anderen Stellenwert. Sie ist nicht mehr nur aus der Perspektive der Nachkommenschaft zu sehen, sondern bekommt einen eigenen Wert. Sie kann in ihrer Schönheit, ihrer den ganzen Menschen in vollkommener Weise ergreifenden Macht genossen werden. Ohne Angst vor ungewollter Nachkommenschaft. Wir haben also in unserer Zeit etwas vollkommen Neues. Was vorher dem Mann vorbehalten war, folgenlos zu genießen, das ist heute auch der Frau möglich. Und das kann das Zusammenleben beider ganz neu gestalten. Sie können eine Kultur der Sexualität entwickeln.

Wir Menschen veredeln alles: Wir futtern nicht nur, sondern wir haben eine Esskultur. Wir hausen nicht nur in Wohnhöhlen, wir entwickeln Wohnkultur… – und so hat auch die Sexualität ein Stadium erreicht, in der eine Kultur entwickelt werden kann. Anders als bei der Esskultur usw. haben wir Menschen mit Blick auf die Sexualität kaum Vorbilder, wir müssen also miteinander erarbeiten, erleben, was der jeweils andere mag, was er nicht mag, wir müssen lernen, miteinander so umzugehen, dass der jeweils andere die Sexualität genießen und als Erfüllung erleben kann. Und das in Harmonie und Disharmonie – eingebettet in Liebe zueinander. Vielleicht finden sie gemeinsam auch etwas, das „unüblich“ ist, das nur sie als Paar genießen können und auch als Paar als Geheimnis miteinander haben. Eine Kultur, die die Sexualität in den Mittelpunkt stellt, hat das Christentum nicht entwickeln können, weil es eben diese Möglichkeiten des freien, folgenlos genießenden Umgangs nicht kannte. Ob es heute Christen gibt, die hier eine Kultur des sexuellen Umgangs aus christlicher Perspektive entwickelt haben oder entwickeln, ist mir nicht bekannt. Habe mich auch noch nicht darum gekümmert.

Der Mensch ist ein wunderschönes Wesen. Leib, Seele, Geist – wie auch immer das Menschenbild aussieht, kann sehr schön sein, sozial, offen, freundlich, rein. Sexualität kann dazu beitragen, weil der Mensch ein ganzheitliches Wesen ist.

Sexualität kann aber auch sehr zerstörend sein. Das dann, wenn Menschen über andere dominieren, sie vergewaltigen, erniedrigen, missbrauchen, unterwerfen. Die Schönheit des Körpers, des Geistes, der Seele wird geschändet. Auch das kennt die Menschheitsgeschichte. Gerade die ungebändigte und auch egoistisch auslebbare Sexualität ist häufig in Gewalt umgeschlagen, hat Opfer hinterlassen, Narben auf Körper, Seele, Geist. Und ich habe manchmal auch den Eindruck, dass manche Menschen gerade die Schönheit und Reinheit eines anderen Menschen dazu bringt, zerstörerische Emotionen zuzulassen. Auch der Hang manches Menschen zur Selbstzerstörung kann mit der Sexualität verbunden werden. Und eben das hat mich an den Bildern erschreckt. Das, was hier mit Menschen gemacht wird, hinterlässt auf dem Körper massive Spuren – und daraus schließe ich, dass sie auch Spuren im Geist und auf der Seele hinterlassen. Der Mensch hat in vielem den Hang, immer mehr auszuprobieren, immer extremer zu werden – und so kann er, wenn er nicht gebremst wird oder sich selbst bremst –  immer stärker in den Strudel der Zerstörung hineingeraten. Angesichts der Bilder, die ich gesehen habe, würde ich da hineinrufen: Leute, passt auf euren Körper, auf euren Geist und auf eure Seele auf!

Wir sind zwar alle sexuelle Wesen – auch wenn man sich als asexuell fühlt – aber Sexualität ist nicht der ganze Mensch. Entsprechend kann der Mensch auch eine Kultur des Lebens entwickeln, in der er mit dem Partner oder auch mit anderen so umgeht, dass sie ein sinnerfülltes Leben leben können. Menschen stoßen auch sexuell an ihre Grenzen aufgrund körperlicher und psychischer Einschränkungen. Damit muss man auch verantwortlich umgehen lernen, dass man sich selbst und andere nicht überfordert – aber dann auch offen ist für gemeinsame Unternehmungen, die auch sehr befriedigend sein können. Sexualität, so dominant und schön sie auch ist, ist nicht autark, sie ist Teil von mir, der ich als Mensch ein äußerst komplexes Wesen bin. Und das eben als Geschöpf und Ebenbild Gottes.

Noch ein Satz, um nicht missverstanden zu werden: Man kann auch eine Kultur der Sexualität entwickeln mit Blick auf Nachkommenschaft und Sexualität auch genießen, wenn man Kinder hat. Denn in den Kindern zeigt sich ja im Grunde die Verkörperung der Liebe zweier Menschen. (Natürlich nicht immer – aber das habe ich ja oben schon beschrieben.)

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