Un/Glaube und Naturwissenschaft

Was die Beurteilung des Glaubens betrifft, sind Wissenschaftler auch nur Menschen, die versuchen, ihre Weltsicht ins Gespräch zu bringen. Sie sind keine Glaubensexperten oder dergleichen – sie sind Wissenschaftler, die ihre Welt deuten – wie jeder normale Sterbliche auch. Von daher haben ihre Aussagen nicht mehr Gewicht als die anderer Menschen. Sie liefern Diskussionsbeiträge, können Gedanken anregen, haben aber die Wahrheit nicht gepachtet. Wie unter den Nicht-Naturwissenschaftlern gibt es auch unter den Naturwissenschaftlern nachdenkliche, oberflächliche, polemisierende, offene, verschlossene, polarisierende Menschen. Das betrifft auch das Verhältnis von Naturwissenschaftlern zur Philosophie, nicht nur zur Theologie.

Es wird in den folgenden Abschnitten von Gott gesprochen, von Religion usw. Das wird nur hier und da intensiver vertieft, denn es gibt unterschiedliche Gottesbilder. Ob Jesus Christus für die Genannten eine Rolle spielt und welche, das ist wieder eine ganz andere Frage. Es handelt sich freilich um Wissenschaftler im Kulturkreis, der von Christen geprägt wurde.

Im Folgenden eine kleine Auswahl an Überlegungen:

Planck meinte, dass Naturwissenschaft und Religion ihre jeweiligen Aufgaben haben (Naturwissenschaft lässt Natur erkennen, Glauben führt zum handeln) – aber gemeinsam gegen Aberglauben und Dogmatismus angehen. Planck meint, dass Naturwissenschaft ohne eine Dosis Metaphysik nicht auskommen könnten. Ähnlich sieht das Heisenberg. Heisenberg lehnt auch ab, die Religion als überwundene Bewusstseinsstufe des wissenschaftlichen Menschen anzusehen. Dass Naturwissenschaft nicht mit einer Dosis Metaphysik auskommt, das sieht man an Einstein:

Einstein sieht seine Tat als Wissenschaftler darin, Gottes Logik in der Natur nachzuforschen, wobei bei ihm Religiosität und Gottes Naturgesetze nachspüren, sich von ihnen ergreifen zu lassen eher auf einen unpersönlichen Gott hindeuten. Damit steht er in der Tradition der christlichen Forscher vor ihm, die Gottes Spuren in der Schöpfung nachspürten, allerdings Gott im jüdisch-christlichen Sinn nicht idealistisch sahen, sondern eben als handelnde Person. (Kepler: Gottes Gedanken nachdenken.)

Wolfgang Pauli stellt den Menschen in den Vordergrund, der in sich das kritisch-rationale Erklären trägt, gleichzeitig das mystisch-irrationale Erklären – beide sind durch Synchronizität miteinander verbunden, Zufall und passende Gestaltung gehören zusammen. In der Gegenwart holistisch weitergeführt von Hans-Peter Dürr: Die Wirklichkeit ist eine unauflösbare Einheit.

Francis Crick und andere versuchen ohne Metaphysik auszukommen und stellen den Menschen in den Mittelpunkt, indem sie erklären: Wissenschaft verdrängt Religion – weil Wissenschaft alles erklärt bzw. erklären wird – so fand sie zum Beispiel heraus: Der Mensch ist zufällig im Rahmen der Evolution entstanden. Damit verbunden sind freilich nicht selten auch Vorstellungen, die Wissenschaft sagen lässt, wie der wahre Mensch auszusehen habe (Eugenik: Crick). Womit etwas deutlich wird: Der Mensch wird dem Menschen zum Gott. Worauf andere kritisch hinweisen: Der Mensch muss auch als Wissenschaftler verantwortlich handeln, Wissenschaft als solche gibt jedoch keine Ethik vor (vgl. Hans Jonas).

Wieder andere wie Stephen Hawking versuchen, der Natur das als Eigenschaft anzudenken, was in der Tradition Gott zukam: Natur hat ihren Anfang selbst gesetzt. Andere meinen (z.B. Conway Morris) der Mensch sei nicht zufällig entstanden, aber auch nicht von Gott gewollt, sondern die „Naturgesetze“ sind daraufhin angelegt, den Menschen als Ziel entstehen zu lassen. (Vitalismus bzw. teleologisches anthropisches Prinzip) Und hier kommt dann wieder die Metaphysik herein: Die alte Naturwissenschaft dachte die Zusammenhänge der Natur – die neuere versuchte, durch Experimente usw. der Natur auf die Schliche zu kommen. Hawking und andere denken sich wieder die Natur unabhängig von Experimenten – und manche vergessen, dass es hypothetische Gedankenkonstrukte sind. Übrigens soll der christliche Pazifist Sir Arthur Stanley Eddington bissig gesagt haben: Keiner der Erfinder des Atheismus war Naturwissenschaftler – sie waren mittelmäßige Philosophen. Daran sieht man, dass scharfe Abgrenzungen nicht nur von atheistischen Wissenschaftlern kommen, sondern auch von Christen.

Christliche Ansätze der letzten Jahrzehnte: Francis Collins vertritt eine theistische Evolution, das heißt: Die Schöpfung ist nicht abgeschlossen, sondern Gott greift in den weiteren Verlauf der Schöpfung ein. Womit ein Aspekt christlicher Interpretation aufgegriffen wird. Pierre Teilhard de Chardin hat hier sehr prägend gewirkt: Kosmische, biologische und kulturelle Evolution werden von Gott gelenkt. Schöpfung ist im Werden. (Heute müsste man die chemische Evolution miteinbeziehen.) Was andere ablehnen, denn Schöpfung ist Schöpfung und nicht ein Handeln Gottes nach naturgesetzlichen Vorgaben (vgl. Mutschler).

In dem Buch der Wissenschaftler Consolmagno/Mueller wird die Meinung vertreten, dass wir die beiden Bücher Gottes: Bibel und Naturwissenschaft noch nicht richtig verstehen.

Intelligent Design – ist als solches nicht christlich, wird aber von manchen Christen rezipiert: Wir können wissenschaftlich alles nur verstehen, wenn das Moment der Gleichzeitigkeit herrscht, das heißt: Zum Beispiel konnten sich die Komponenten des Auges oder der Zelle nicht nacheinander evolutionär zusammengefügt haben, da sie „unfertig“ nicht funktionieren würden, sondern bestimmte Komponenten müssten gleichzeitig hinzugekommen sein. Und das alles mit einem Ziel – und das würde für einen Designer (nicht unbedingt Gott) sprechen. Diese teleologische Sicht gab es schon bei den alten Griechen (z.B. Aristoteles) und christlich modifiziert bei Thomas von Aquin.

Kreationismus: Auch die klassische Sicht wird vertreten, dass Gott alles so erschaffen hat, wie es in der Schöpfungsgeschichte geschrieben steht – wobei auch hier verschiedene Auffassungen erkennbar sind.

(Diese spontane Darlegung – es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit! – basiert unter anderem auf: Berry: Gott oder Zufall?; Collins: Gott und die Gene; Consolmagno/Mueller: Wo war Gott, als das Universum geschaffen wurde; E.P. Fischer: Gott und der Urknall; Losch/Vogelsang: Wissenschaft und die Frage nach Gott.)

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Noch eine Nachbemerkung: Wenn Gott beweisbar wäre, dann wäre der Mensch nicht mehr frei zu glauben.

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