Unterstellungen / Thema: Holocaust/Shoah

Weil ich am Gedenktag des Holocaust in meinem Blog keinen Artikel zu dem Gedenken gebracht habe, wurde mir auf Facebook unterstellt:

„Nix zum Thema Befreiung des KZ/Auschwitz/Gedenktag an die Opfer des Holocaust? Hab ich von Ihnen auch nicht erwartet…“

Der Kritiker kann natürlich nicht wissen, dass mir der jüdisch-christliche Dialog am Herzen liegt – und zwar seitdem ich bei einem Professor studiert habe und mir die Dimension dieser schlimmen Zeit und die Dimension der Schuld der Christen daran bewusst geworden ist (Bertold Klappert) -, dass ich an Reichspogrom-Erinnerungstagen teilnehme – auch aktiv, dass ich einen Stolperstein mit finanziert habe… – das kann er alles nicht wissen. Und bevor ich das Studium begonnen habe, bin ich durch ein paar Bücher, deren Bilder sich mir eingebrannt haben, für diese Zeit sensibilisiert worden. Aber was er wissen könnte, wenn er nicht einfach nur keilen möchte, dass ich ein Buch zu dem Thema geschrieben habe (Wie Jesus zum Arier gemacht wurde [Wissenschaftliche Buchgesellschaft] – und in diesem diese Ideologisierung des christlichen Glaubens durch antisemitische Nationalsozialisten aufgegriffen habe.) Ebenso habe ich ein Büchlein zu Judas geschrieben (Brauchte Gott den Verräter – Vandenhoeck+Ruprecht), in dem ich ebenso das Thema Antisemitismus angesprochen habe. Er hat überhaupt keine Ahnung von dem was ich denke, was ich geschrieben habe und aktiv tue – und meint in einem Nebensatz mir oben Genanntes unterstellen zu müssen. Wer von mir nichts weiß, nicht meine Beschäftigung mit Bonhoeffer, der mir sehr wichtig geworden ist, nicht mit… – ich kann hier nicht alles aufzählen. Anne Frank wird die Person sicher kennen. Aber, was ich auch fragen möchte: Warum hat er nicht einmal meine Aussagen, die ich im Blog vielfach zum Nationalsozialismus und zum Antisemitismus usw. gemacht habe, wahrgenommen? (Ich möchte damit nicht sagen, dass ich genug gegen Antisemitismus getan habe. Es sollte nur gesagt sein, dass ich Kritik nur dann akzeptiere, wenn sie berechtigt ist – und an dieser Stelle ist sie nicht berechtigt.)

Weitere Unterstellungen, die der Kritiker meint, mir aufs Auge drücken zu müssen, zeigen, dass er wohl wenig Ahnung von den Diskussionen hat, sondern einfach emotional reflexartig reagiert. Nicht argumentierend, gar nichts, sondern nur anprangernd. Dann auch, indem er an anderer Stelle auf meinen Blog hinweist – ohne ein Argument zu bringen – ihn aber in den Kontext irgendwelcher dubioser und ideologisch-faschistischer bzw. faschistoider Äußerungen stellt. Wenn ich das richtig sehe, das nur darum, weil ich im Titel ein Stichwort verwende, das gesellschaftlich diskutiert wird. Ich habe im Blog, dem das Stichwort im Titel voranging, dazu Stellung bezogen (freilich nicht in Form einer ausführlichen Dissertation – sondern in einem knappen Blogstil) – hat er diese Stellungnahme gelesen oder nur aufgrund des Stichwortes reagiert? Dieser Kritiker bringt keine Argumente – sondern einfach nur Unterstellungen, sodass man gar nicht argumentieren kann, weil man gar nicht weiß, was er eigentlich anprangert. Und das lässt mich ratlos zurück – und ich empfinde es auch ehrlich gesagt als perfide.

Vor allem frage ich mich, wie kann ich mich gegen solche Unterstellungen wehren? Ist es besser, nicht zu reagieren, weil jede verkürzte Formulierung – denn auf Facebook kann man ja nicht ausführlich diskutieren – einem wieder irgendwelche Unterstellungen einhandeln kann. Und das vor allem dann, wenn der andere nicht in der Lage bzw. nicht bereit ist, überhaupt auf einer sachlichen Ebene zu diskutieren, wenn er nicht in der Lage ist, sachliche Argumente anzuhören, wohl die gesamte Diskussion nicht kennt, sondern meint, in seiner emotionalisierten Gefühlslage heute mit der Diskussion beginnen zu müssen – die ja schon seit 1945 läuft (und hier und da schon seit dem 19. Jahrhundert). Wir haben in unserem Land schon wichtige Diskussionen zu diesen Fragestellungen gehabt – und jetzt anzudeuten, als würden wir erst damit neu anfangen, ist kurios. Ich baue auf diesen Diskussionen auf. Muss aber gestehen, dass darum Menschen, die sich erst neu damit beschäftigen, vielleicht nicht alles verstehen. Ich werde mich in Zukunft bemühen. Darum sei der Beginn gemacht. Schon einmal mit dem Begriff:

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich das Wort Holocaust verwendet habe – obgleich ich mit Juden den Begriff Shoah bevorzuge. Da aber der letztgenannte Begriff kaum bekannt ist, ist die Verwendung des Wortes Holocaust leider noch immer üblich. Aber das scheint den Kritiker ja nicht zu stören. Weiß er um die Diskussion?

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Ein Antrag auf Löschung kommt für mich nicht in Frage, weil es eigenartig wäre: Ich trete so sehr für Meinungsfreiheit ein, dass auch Leute, die keine Ahnung haben, ihre Meinung sagen dürfen – und stelle dann den Antrag auf Löschung? Das wäre nicht kompatibel mit meinem Demokratieverständnis.

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Etwas Kurioses muss noch erwähnt werden: Ich trete in meinem Blog massiv für Israel ein, was dieser unterstellende Kritiker auch noch nicht mitbekommen zu haben scheint. Ich trete so sehr für Israel ein, dass ein anderer Untersteller meinte, ich würde in der israelischen Botschaft arbeiten.

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Zuletzt: Ich komme nicht umhin zu vermuten, dass sich diese Person auf meine Kosten bei irgendwelchen Gesinnungsgenossen profilieren will, da er nicht in meinem Blog darüber diskutiert – denn die Möglichkeit besteht -, sondern auf Facebook immer nur solche kurzen Unterstellungen-Statements abgibt.

Ich muss gestehen, dass ich ziemlich sauer war, als ich diese unterstellende Bemerkung gelesen hatte. Inzwischen bin ich aber dem Kritiker dankbar dafür, weil ich dieses Thema noch nie aus der Perspektive der Apologie betrachtet und ansatzweise reflektiert habe, sondern bislang einfach das getan, was mir auf dem Herzen lag. Denn ich betrachte das jüdische Volk als Gottes Augapfel (Prophet Sacharja) – das heißt: Wer Gottes Volk angreift, der greift Gott an – und daraus ergeben sich die oben genannten Taten.

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Was der Kritiker und ich gemeinsam haben, das ist, dass Antisemitismus und (wenn er die Unterscheidung kennt) Antijudaismus ohne Wenn und Aber, ohne Relativierungen und Einschränkungen, abzulehnen sind. Ich denke, darauf sollten wir unser Gespräch aufbauen, denn es gibt in unserer Gesellschaft viel Antisemitismus sowie Antijudaismus – und das ist unerträglich – den kann man nicht bekämpfen, indem man anderen etwas unterstellt, sondern indem man gemeinsam gegen diese angeht.

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(Zu dem Thema auch – vielleicht benötigt der Kritiker einen Beleg: http://the-germanz.de/antisemitismus-ist-deutschland-nicht-nur-ein-problem-der-afd/ )

 

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Nachtrag: Der Kritiker reagierte auf diesen Blogbeitrag auf Facebook damit: „Gelesen, geteilt, nicht überzeugt, aber an Umberto Eco erinnert worden:“ Es folgt ein Link auf Ecos Pendel in dem es heißt: „Ja, ja halten Sie sich nur weiter die Augen zu. Und derweilen publizieren Sie in Ihrem Verlagshaus Bücher von wer weiß was für Leuten. Wie viele Juden haben Sie unter Ihren Autoren?“ „Wir pflegen unsere Autoren nicht nach ihrem Stammbaum zu fragen“, antwortete ich kühl. „Halten Sie mich für einen Antisemiten. Einige meiner besten Freunde sind Juden. Ich denke an eine bestimmte Sorte von Juden…“

Das zeigt einen Argumentationsstil durch den Kritiker, der mir fremd ist – den ich für nicht hilfreich halte. Er ist nicht weiterführend im Gegenteil…

Impressum http://www.wolfgangfenske.de/

 

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