Ästhetik des Islam / Koran Hermeneutik + Historisch-kritische Exegese und die Herrlichkeit Jesu Christi

Dass der Islam sehr viel Wert auf Ästhetik legt, das ist hinlänglich bekannt, und mag dennoch für manchen Europäer neu sein – von daher ist es gut, immer wieder darauf hinzuweisen. Das gilt für den Koran als dichterischen/poetischen Text, das gilt für die Architektur, auch die Kleidung ist vielfach ästhetisch ansprechend. Daran ist zunächst einmal kein Zweifel. Aber wenn man diesen Beitrag zu dem Buch von Klaus von Stosch liest, dann kommt man nicht umhin die Frage zu stellen: Spielt angesichts der Ästhetik der Inhalt keine Rolle mehr? Können wir auch den Muslimen sagen: Leute, der Koran ist wunderschön – was ja auch viele sagen und sehen, darum ist arabisch ja auch die heilige Sprache – aber kümmert euch nicht weiter um den Inhalt? Das gilt auch für die Vita Mohammeds. Es gibt wunderschön anrührende Legenden – aber kann man von dem historischen Wissen der Person des Mohammed absehen, der eben auch realistische Seiten hat und diese realistischen Seiten sind für die Opfer damals bis zur Entstehung des Koran und danach eben nicht ästhetisch wunderschön. Von daher ist diese Aussage zurückzugeben:

Die Verfechter der anderen Sichtweise machen es sich leichter. Sie lesen den Koran von seinem Kontext isoliert und verdächtigen ihn, letztliche Referenz für alle problematischen Entwicklungen des Islams zu sein. Es ist nur logisch, dass bei dieser Lektüre viele Aussagen grob missverstanden werden und so den Koran als Gotteswort diskreditieren.

Das bedeutet, dass diejenigen, die den Koran aus historischer Perspektive lesen, zu grob sind, diejenigen hingegen, die ihn aus ästhetischer Perspektive lesen, erfassen den wahren Islam/Mohammed – hier als Gotteswort/Wort Allahs bezeichnet. Eine solche Sicht hat nicht nur historisch-kritische Konsequenzen, sondern auch theologische Konsequenzen, denn jedes Vorzeichen, das man religiös oder ideologisch setzt, hat Konsequenzen für die gesamte christliche Theologie:

Klaus von Stosch möchte die Debatte über den Status des Korans in der christlichen Theologie neu öffnen, indem er beherzt die eigentliche große Differenz in den Blick nimmt, sie aber sogleich als sublime Analogie erkennt: „wenn auch Jesus Christus die einzige Mensch gewordene Gestalt des Logos Gottes ist, schließt das nicht aus, dass im Koran die Schönheit dieses Logos hörbare Wirklichkeit wird.“

Wenn der Logos Gottes – Jesus Christus – anderes sagt als der Logos des Koran – ist das ästhetisch zu übermalen? Zählt der Logos Christus oder zählt der Logos des Koran? Ich denke, man muss diese Entweder-Oder-Frage stellen, denn dieses sagt ja der Koran selbst. Er setzt dem Neuen Testament das wahre Wort Allahs entgegen. Das ist der Anspruch Mohammeds. Und er verwendet dazu eben die schöne Sprache, um Menschen über die Schönheit der Sprache davon zu überzeugen, dass er und nicht die Juden bzw. Christen Recht haben. Das ist sein Werbeansatz. Und interessant ist es, dass diese Werbung bis heute ihren Erfolg zu haben scheint.

Ich muss dazu sagen: Ich habe das Buch von Klaus von Stosch: Herausforderung Islam. Christliche Annäherungen, nicht gelesen, sondern rezensiere somit nicht das Buch, sondern den Artikel über das Buch:  http://www.zeit.de/2017/02/islam-klaus-von-stosch Denn Artikel haben manchmal größere Wirkung als die Bücher selber, da nicht jeder Leser der Zeit nun auch das Buch von von Stosch liest.

Ich denke, dass diese Fokussierung auf die rein ästhetische Sichtweise des Koran von Navid Kermani angestoßen wurde, darum eben auch nicht für den Islam repräsentativ ist.

Eine Anmerkung: Ich finde, man sollte alle Möglichkeiten eines Dialogs mit dem Islam in den Blick nehmen und diskutieren. Von daher sehe ich diesen Beitrag als relevant an – letztlich aber als nicht hilfreich.

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Was mir dazu noch einfällt: Ich finde es sehr interessant, dass das Neue Testament, dessen Schönheit der Darstellungen, dessen Erinnerungen, dessen Erhabenheit der Worte, dessen Großartigkeit des Handelns – nicht nur des Handelns Jesu, sondern auch seiner Nachfolger – in der historisch-kritischen Exegese destruiert wurden – und nun den Christen weitgehend unbekannt geworden sind. Dafür wird jetzt die Schönheit des Koran hervorgehoben.

Welche poetischen Schmuckstücke finden wir im Neuen Testament, auch Worte wie zum Beispiel Herrlichkeit Gottes (Joh 1,14), Jesus als das wunderbare Ebenbild Gottes (Kolosser 1) usw. Doch was machen wir historisch-kritisch daraus? Statt die großen Aussagen herauszuarbeiten, bleiben wir im Vordergründigen stecken und sagen: Johannes – kein Jünger Jesu – er predigt halt irgendwie gnostisch oder auch nicht ganz so… – Kolosserbrief, kein Brief des Paulus, Weiterentwicklung paulinischer Ansätze – oder auch nicht… – Die Verklärung Jesu (Mk 9) – nun ja, lebhafte Phantasie, soll dies und jenes ausdrücken – oder auch nicht…

Nichts gegen historisch-kritische Exegese – ich selber bin einer, der in dieser Exegese geschult wurde und auch entsprechender Exeget ist – aber sie darf die Bedeutung des Textes nicht kleiner machen – denn dann passiert eben das, dass andere in diese Lücke stoßen und sie auszufüllen suchen.

Es ist immer so: Die Fehler der Kirche (und dadurch auch der Theologie) gibt anderen Raum.

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