Christliche Werte und komplizierte Geschichte

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Ich hatte neulich einen Kommentar bekommen (von Gast auf Erden), zu: http://blog.wolfgangfenske.de/2016/06/09/eine-polemik-keine-abendlndisch-christlichen-werte/#comment-172002 Der Wortlaut:

>Was die tapferen Verfechter “christlicher Werte”, oder gar “christlich-jüdischer” Werte (als hätten die Christen nicht seit fast zwei Jahrtausenden versucht alles jüdische bis zur Wurzel auszurotten; zuletzt sogar mit einem sechs-Millionen-Erfolg) leider immer wieder vergessen ist, dass unsere Werte eben NICHT die religiös begründeten Werte sind, sondern, zumindest was Deutschland betrifft, unser Grundgesetz.
Und wer das sträflichst missachtet macht bald Bekanntschaft mit einem Ding namens Strafgesetzbuch und einer Einrichtung die sich Judikative nennt.

Und nein, christliche Werte sind NICHT die Grundlage unserer Verfassung, weil sie zu sehr gegen Freiheit, gegen Frauen und gegen Demokratie gerichtet sind.
Die Grundlagen unserer Verfassung und unserer Werte mussten in Jahrhunderte langen, teilweise blutigen Kämpfen GEGEN die “christlichen Werte” durchgesetzt werden.
Vergleichen Sie nur mal den Paragrafen 2266 des Katechismus der katholischen Kirche mit dem Artikel 102 unseres Grundgesetzes zum Thema Lebensschutz. Dann werden Sie sehr schnell erkennen, dass “christliche -in diesem Fall katholische- Werte” auf keinen Fall mit dem Grundgesetz gleichgesetzt werden können
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Ich muss gestehen – es begegnet uns hier ein sehr einfach gestricktes Geschichtsbild. Nationalsozialisten = Christen, Grundgesetz habe nichts mit den christlichen Werten zu tun. Diese Werte wurden gegen christliche Werte durchgesetzt. Echt? Beispiel? Es gibt inzwischen im Recht Änderungen, die in der Ausführung (!) christlichen Werten widersprechen (Abtreibung) – darum wird darüber ja auch heftig diskutiert.

Geschichte lehrt uns, und das habe ich schon sehr häufig im Blog genannt, dass sich auch Christen gegen christliche Werte, wie sie Jesus forderte ankämpften. (Johannes der XXIII. sinngemäß zu einem Kommunistenführer: Ihr werdet die Kirche auch nicht zerstören – Christen haben es 1960 Jahre lang auch nicht geschafft). Jesus bringt Neues – und wir mögen das Neue nicht. Wir bekämpfen es – welche Kultur auch immer mit dem christlichen Glauben konfrontiert wird. Parallel dazu gibt es eben auch Christen, die Jesus Christus nachfolgen und eben auch unter vielen Mühen diese Werte langsam weitertragen und durchsetzen – auch verfolgt eben durch die Christen, die sich gegen Jesus Christus wenden. (Viele Aspekte finden wir in meiner Darlegung der Bücher  von Mangalwadi und Schmidt).

Wie kommen die Werte ins Grundgesetz? Einfach so aus den Hirnen 1945ff. geboren? Natürlich nicht. Sie mussten sich in vielen Kämpfen, wie der Kommentator richtig schreibt durchsetzen. Und eben warum setzten sich gerade diese Werte in unserem Land durch? Weil Christen, und solche waren auch die Väter und Mütter des Grundgesetzes überwiegend, versucht haben, im Sinne Jesu Christi das Gute durchzusetzen. http://www.bpb.de/themen/P6E5V6,0,0,Die_M%FCtter_und_V%E4ter_des_Grundgesetzes.html Natürlich haben sie nicht das Neue Testament zitiert, aber aus dem Geist des NT heraus gehandelt. Und so haben sie in der Präambel auch auf Gott hingewiesen, weil sie wussten, dass hier die Letztbegründung liegt.

Freilich kommt nicht alles, was gut ist, nur von den Christen. Das habe ich auch schon häufig geschrieben: Christen sind eine Art Staubsauger, der alles an Gutem in der Ethik anderer Philosophien und Religionen usw. aufsaugt – aber eben “Gut” aus der Perspektive Jesu Christi. Das getreu nach dem Motto des Apostels Paulus: Prüfet alles, das Gute behaltet. Und so haben wir vieles aufgenommen von Platon, aus der Stoa, dem römischen Recht usw.

Das bedeutet nun nicht, dass alles, was wir im staatlichen Recht finden 1:1 mit christlichen Ansichten übereinstimmt. Das Christentum ist keine Gesetzesreligion, auch wenn sich bestimmte Zeiten entsprechend gebärdeten. Jesus hat den Rahmen gesetzt und nicht staatliches Recht für Christen verfasst. So haben Christen, als sie Verantwortung für den Staat übernommen haben, sich vielfach an altes Recht angelehnt. Daran hat Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert Großartiges geleistet (Corpus iuris civilis) – auch wenn wir heute manches ändern würden. Im Laufe der Jahrtausende wurde immer stärker versucht, das Recht dem Rahmen, den Jesus steckte, anzupassen. Und das geht nicht von heute auf morgen.

Der Begriff strukturelle Schuld sagt es: Man hat Teil an einem Unrechtssystem und merkt es vielfach nicht einmal. Von daher müssen uns Menschen immer die Augen geöffnet werden (aus christlicher Perspektive: Durch den Geist Gottes), damit Unrecht immer geringer wird. Und das geht nur in vor- und zurück-Schritten. So denke man an das Unrecht des kapitalistischen Systems – kommende Generationen werden Christen dieses kapitalistische System in die Schuhe schieben – und ihnen vorwerfen, nichts gegen die Unmenschlichkeit getan zu haben. Doch wenn man es versucht – jeder merkt, wie schwer das ist. Selbst der UN Generalsekretär resigniert angesichts des bösartigen Widerstandes gegen das Menschenrecht.

Geschichte ist komplizierter – und das sollte man auch in diesem Komplex berücksichtigen.

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