Dawkins, Singer, Sozialdarwinismus und Würde Behinderter

Ich finde in dieser Fragestellung http://blog.wolfgangfenske.de/2016/04/18/darwin-dawkins-und-sozialdarwinismus/ Ulrich Bach besonders erwähnenswert. Er schrieb, dass man, wenn man schon danach fragt, ob jemandem Menschenwürde zukommt oder nicht, also zum Beispiel Behinderten, ihnen die Menschenwürde nimmt. Wenn wir fragen, was macht das Menschsein aus – außer eben die Zugehörigkeit zur Spezies Homo sapiens – und irgendwelche (Charakter-)Eigenschaften nehmen (denken, auf zwei Beinen gehen, Rationalität, Autonomie, Selbstbewusstsein, Leidensfreiheit, sich glücklich fühlen), um Menschen zu Menschen erklären zu können, dann haben wir andere Menschen schon entwürdigt. Und heute geht es schon längst nicht mehr allein um Ungeborene, um Behinderte – man geht schon weiter: Säuglinge, Demenzkranke, Menschen im Koma, Sterbenskranke.

Natürlich müssen sich Christen immer vorwerfen lassen, dass sie sich auf ihren „doofen Gott“ berufen, wenn sie allen Menschen Würde zukommen lassen, sie müssen sich in dieser Frage „Rassismus“ und „Speziesismus“ vorwerfen lassen, weil sie den Menschen wichtiger nehmen als ein Tier, sie müssen sich vorwerfen lassen, unwürdiges Leben mit dem hehren Übermenschen auf eine Stufe zu stellen. Sie müssen sich vorwerfen lassen, dass sie einem veralteten Menschenbild angehören und sie müssen hören, dass diesem Menschenbild sowieso keiner mehr folgt, wenn er nicht verblödet ist. Sie müssen sich autoritären Stil und Grausamkeit vorwerfen lassen, weil sie ihre Werte durchsetzen wollen, statt sie unendlich in der Diskursethik zu diskutieren. Sie müssen sich auch vorwerfen lassen, dass sie das Leiden fördern, wenn sie Menschen, denen man Leiden zuweist, nicht umbringen lassen wollen, sie müssen sich auch vorwerfen lassen, dem Glück der Eltern entgegen zu stehen, wenn sie darauf beharren, dass sie nicht ein Kind töten lassen dürfen, um ein vielleicht „besseres“ Kind zu zeugen.

Ich für mich weiß: Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, in der Starke einfach über Schwache herfallen, in der Glückliche nicht einfach Unglückliche entwürdigen, in der Wehrlose missachtet und getötet werden durch diejenigen, die zufällig stark sind, zumindest zeitweise, und Menschen, in die man nicht hineinsehen kann, einfach „Leiden“ zugewiesen werden, in der Menschen schon begrifflich abgewertet werden, indem man nur von Zellklumpen und Fötus, statt von ungeborenen Menschen spricht. In einer Gesellschaft, in der Menschen Angst haben müssen, dass sie durch Unfall, durch Krankheit, durch psychisches Leiden, Behinderungen, durch Mitleiden, durch Altern entwertet werden oder dadurch, dass sie im Konkurrenzkampf nicht mithalten können. Kann eine solche Gesellschaft als human bezeichnet werden? Können sich Menschen, die das fordern, Humanisten nennen? Was für ein Hohn!

All das gehört zum Menschsein dazu. Und Christen müssen darauf bestehen, dass Leiden ein Teil des Menschseins ist und man einander helfen muss, es zu überstehen oder trotz Leid leben zu können – denn wir sind keine Roboter, wir sind Menschen. Leiden macht uns menschlich – womit ich Leiden nicht heroisieren will. Aber Leiden macht uns empfindsam für andere.

Ich will in einer Gesellschaft leben, in der man einander achtet. Die Starken die Schwachen beschützen, sie umsorgen, in einer Gesellschaft, die sensibel ist für die Nöte anderer und in der sich Menschen achtsam in sie hineinversetzen können. Eine Gesellschaft, in der Glück erlebt wird, weil es auch erlitten werden muss, die Kranke nicht ausgrenzt, psychisch Kranken zu helfen in der Lage ist, in der Ungeborene befriedet zu dem heranwachsen können, was in sie angelegt ist.

Es wird immer Menschen geben, die einen Menschen wollen, der designed ist, der vollkommen ist, der ästhetisch schön ist – aber wollen sie ihn nur, weil sie es satt sind, wenn sie sich im Spiegel sehen? Weil sie mit sich selbst nicht klar kommen? Weil sie Angst davor haben, Verantwortung zu tragen? Was haben Menschen überhaupt für ein Interesse daran, anderen Würde abzusprechen, denen moralische Verkommenheit zu unterstellen, die sich um andere kümmern, ihnen Lebenschancen geben? Diese Leute wird es immer geben – aber sie sollen in einer Gesellschaft nie die Mehrheit bekommen, weil eine solche Gesellschaft brutal ist. Und dann das Argument: Die werden zu teuer! In einer Gesellschaft, in der allen Menschen gleiche Würde zukommt, in einer solchen fragt man nicht danach, sondern nimmt sie hinein in den Alltag, in das Leben, in die Liebe. Illusion? Möglicherweise – aber das ist ein Ziel – und auf das Ziel gilt es hinzuarbeiten und nicht auf das Ziel, sie zu töten oder zu isolieren. Kultur des Lebens – statt Kultur des Todes.

Übrigens: Atheisten, die darauf beharren, dass auch Atheismus in der Lage ist, menschliche Werte zu vertreten und nicht nur das Christentum, die werden durch solche Ansätze ihrer Chef-Denker ganz schön zum Schwitzen gebracht. Eine atheistische Welt wird anders aussehen als eine christliche. Und für mich sind solche ethische Blitze, wie sie bei manchen Chef-Atheisten durchblitzen, nicht gerade dafür geeignet, mich auf eine gute Welt einstellen zu können.

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